Das ist noch nicht mein Leben, dachte es die meiste Zeit meines Lebens so in
mir. Dass das lächerlich ist, weiss ich, doch wer kommt schon gegen seine
Gefühle an.
Statt unserem Verstand die ihm gehörige Rolle zuzugestehen,
glorifizieren wir die Gefühle, berufen uns auf Instinkt, Intuition und
Bauchgefühl, denen wie sowieso ausgeliefert sind.
Meine Gefühle verleiten mich
zu vielem, was mir nicht bekommt; so wollen sie etwa nichts wissen von
Endlichkeit, auch wenn diese dem Verstand einleuchtet. Doch es gibt Momente, in
denen das Herz zu erfassen scheint, was der Vernunft schon lange klar gewesen
ist. Ich kann heute sterben, ging mir letzthin beim Aufwachen durch den Kopf.
Gut möglich, dass dieser Gedanke auch deshalb mein Herz erreichte, weil es mir
tags zuvor geradezu unfassbar erschien, dass der neue Papst jünger ist als ich
selber bin. Jedenfalls kam ich während dieses Tages immer mal wieder darauf
zurück, was mir dieses Heute nicht nur sehr eigenartig, sondern gänzlich
unfassbar erscheinen liess.
Wie einen Traum erlebte ich diesen Tag, an dem ich
bei Richterswil dem Zürichsee entlangging, Fotos machte, und mit einem jungen
IT-Mann mit Hund ins Gespräch kam. Ein anderer Mann, ebenfalls mit Hund,
kommentierte dessen ausgiebiges Rumschnüffeln an Allem und Jedem mit
„Hundezeitung“ (der Hund informiere sich gerade, wer wann und von wo hier
durchgekommen sei). Mir dabei immer wieder von Neuem ins Gedächtnis zu rufen,
dass jederzeit alles zu Ende sein kann, verscheuchte meine Ängste, erlaubte mir
immer wieder von Neuem, die Gegenwart zu erleben.
Fotos zeigen bekanntlich, was sich in einem bestimmten Moment vor der
Kameralinse befunden hat. Fotografieren bedeutet Festhalten-Wollen. Zu wissen,
dass man nichts festhalten kann, dass der Glaube, man könne es, eine Illusion
ist, hat das Potential, Fotos zu dem zu machen, was sie auch sein können:
Erinnerungen an die Flüchtigkeit des Lebens.

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