Donnerstag, 22. März 2018

Five Fallacies of Grief

In October 2008, Scientific American published Five Fallacies of Grief: Debunking Psychological Stages by Michael Shermer. It is one of the more helpful pieces that I recently read. Here it is:

"Denial, anger, bargaining, depression, acceptance. So annealed into pop culture are the five stages of grief—introduced in the 1960s by Swiss-born psychiatrist Elisabeth Kübler-Ross based on her studies of the emotional state of dying patients—that they are regularly referenced without explication.

There appears to be no evidence, however, that most people most of the time go through most of the stages in this or any other order. According to Russell P. Friedman, executive director of the Grief Recovery Institute in Sherman Oaks, Calif., and co-author, with John W. James, of The Grief Recovery Handbook (HarperCollins, 1998), “no study has ever established that stages of grief actually exist, and what are defined as such can’t be called stages. Grief is the normal and natural emotional response to loss.... No matter how much people want to create simple, bullet-point guidelines for the human emotions of grief, there are no stages of grief that fit any two people or relationships.”

Friedman’s assessment comes from daily encounters with people experiencing grief in his practice. University of Memphis psychologist Robert A. Neimeyer confirms this analysis. He concluded in his scholarly book Meaning Reconstruction and the Experience of Loss (American Psychological Association, 2001): “At the most obvious level, scientific studies have failed to support any discernible sequence of emotional phases of adaptation to loss or to identify any clear end point to grieving that would designate a state of ‘recovery.’”

Nevertheless, the urge to compress the complexities of life into neat and tidy stages is irresistible. Psychoanalyst Sigmund Freud insisted that we moved through five stages of psychosexual development: oral, anal, phallic, latency and genital. Developmental psychologist Erik H. Erikson countered with eight stages: trust vs. mistrust (infant); autonomy vs. doubt (toddler); initiative vs. guilt (preschooler); industry vs. inferiority (school-age period); identity vs. role confusion (adolescent); intimacy vs. isolation (young adult); generativity vs. stagnation (middle age); and integrity vs. despair (older adult). Harvard University psychologist Lawrence Kohlberg postulated that our moral development progresses through six stages: parental punishment, selfish hedonism, peer pressure, law and order, social contract and principled conscience.

Why stages? We are pattern-seeking, storytelling primates trying to make sense of an often chaotic and unpredictable world. A stage theory works in a manner similar to a species-classification heuristic or an evolutionary-sequence schema. Stages also fit well into a chronological sequence where stories have set narrative patterns. Stage theories “impose order on chaos, offer predictability over uncertainty, and optimism over despair,” explained social psychologist Carol Tavris, author of The Mismeasure of Woman (Touchstone, 1993) and co-author, with Elliot Aronson, of Mistakes Were Made (But Not by Me) (Harcourt, 2007), in an interview with me. “

One appeal of stage theories is that they tell a story—they give us a narrative to live by (‘you feel this now, but soon ...’). In cognitive psychology and also in ‘narrative psychotherapy,’ there has been a lot of work on the importance of storytelling. Some therapists now make this idea explicit, helping clients change a negative, self-defeating narrative (‘look at all I suffered’) into a positive one (‘I not only survived but triumphed’).”

What’s wrong with stages? First, Tavris noted, “in developmental psychology, the notion of predictable life stages is toast. Those stage theories reflected a time when most people marched through life predictably: marrying at an early age; then having children when young; then work, work, work; then maybe a midlife crisis; then retirement; then death. Those ‘passages’ theories evaporated with changing social and economic conditions that blew the predictability of our lives to hell. Second, Tavris continued, “is the guilt and pressure the theories impose on people who are not feeling what they think they should. This is why consumers of any kind of psychotherapy or posttraumatic intervention that promulgates the notion of ‘inevitable’ stages should be skeptical and cautious.” Stages are stories that may be true for the storyteller, but that does not make them valid for the narrative known as science.

Donnerstag, 15. März 2018

Die Beziehung zu uns selbst

Das Beste, was wir für unsere Beziehungen mit anderen tun können, ist, uns der Beziehung zu uns selbst bewusster zu werden. Mit Narzissmus hat das nichts zu tun. Im Gegenteil. Es ist das Liebevollste, was wir für den anderen tun können. Das grösste Geschenk, das wir anderen machen können, ist, so gut zu sein, wie wir nur können. Paradoxerweise müssen wir also, um unseren Beziehungen zu anderen gerecht zu werden, als erstes unseren eigenen Weg annehmen.

James Hollis: The Eden Project

Donnerstag, 8. März 2018

Vom Nutzen der Gefühle

Auf den Psychiater Christian Peter Dogs bin ich durch ein Interview in der Schwäbischen Zeitung gestossen. Ausgesprochen gut gefallen hat mir, dass er sich in seiner therapeutischen Tätigkeit auch selber einbringt, befremdet hat mich hingegen sein Glaube an Diplome. "Ich habe alle Facharztqualifikationen, die man in unserem Fachgebiet haben kann. Die hatte mein Vater nie. Aus diesem Grund ist mein Buch auch ein Aufruf, stolz auf sich zu sein."

Dieses Buch, Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen (Ullstein Verlag, Berlin 2017), weist als Autoren Christian Peter Dogs sowie die Journalistin Nina Poelchau aus (man darf annehmen, dass es von letzterer geschrieben wurde), liest sich gut und vertritt Auffassungen, die wesentlich vom gesunden Menschenverstand diktiert und mir sympathisch sind. 

Verantwortlich dafür, wie wir uns fühlen, ist das Gehirn. Und deshalb sollten wir verstehen, zumindest in Grundzügen, wie es funktioniert. Schon mal vom Hippocampus gehört? Er ist die Verbindung zwischen emotionalem und rationalem Gehirn und funktioniert als Gesamtsicherung: Wird er mit zuvielen Reizen (etwa bei Stress) überflutet, nimmt er Schaden oder klinkt sich aus – man wird gefühllos, spürt sich nicht mehr. Das Gehirn schirmt sich ab, nimmt eine Auszeit. Man sollte sich nicht dagegen wehren, sondern sie zur Entspannung nutzen und sich zu „re-setten“, so Dr. med. Dogs.

Nur etwa fünf Prozent unserer Gehirnaktivität läuft bewusst ab. Und das ist eine ausgesprochen gute Nachricht, denn sie besagt einerseits, dass wir uns so recht eigentlich relaxed zurücklehnen können, denn unser Unbewusstes führt die Regie, und andererseits, dass unsere Bemühungen anders sein zu wollen als wir sind, meist zum Scheitern verurteilt sein werden.

Doch wir sind nicht einfach Opfer, wir können durchaus Einfluss auf unser Leben nehmen. Vor allem wichtig ist, dass wir unser hochkomplexes Gehirn pfleglich behandeln. Und das meint: Wir können zum Teil mitentscheiden, womit wir es füttern. Wenn wir dauernd ausgetretene Pfade gehen (also immer dasselbe machen), wird sich das Gehirn entsprechend darauf einstellen. Wenn wir häufig neue Erfahungen machen, ebenso.

Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen ist zu grossen Teilen die Autobiografie eines Menschen, der unter schwierigsten Verhältnissen aufwuchs und nichtsdestotrotz eine beachtliche Karriere hinlegte. Es ist das Teilen seiner reflektierten Lebenserfahrungen, das ihn zu einem etwas anderen Psychiater macht. Er weiss aus eigenem Erleben was Missbrauch und Heroinsucht bedeuten und berichtet offen darüber. Das ist so selten wie eindrücklich. Und müsste doch so recht eigentlich selbstverständlich sein, denn wirklich glaubwürdig sind Psychiater, die auf die Offenheit ihrer Patienten angewiesen sind, nur dann, wenn sie auch selber offen sind. Christian Peter Dogs ist so einer. 

Der zweite Teil des Buches ist mit Therapie in Deutschland – eine Kritik überschrieben und zeigt an erfundenen, doch realitätsnahen Fallbeispielen auf, woran gängige Therapien kranken und was anders zu machen wäre beziehungsweise Christian Peter Dogs anders macht. Das ist spannend und praxisnah geschildert und von common sense (der allerdings nicht besonders common ist) geprägt. 

Dann gibt es noch einen Teil drei, der die Frage "Was kann ich selbst tun?" behandelt ("Pflegen Sie Ihre Beziehung", "Wagen Sie etwas", "Runter vom Gas" – der Mann kocht auch nur mit Wasser) sowie einen Teil vier, worin er eine Klinik nach seinen Vorstellungen präsentiert.

Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen ist ein überzeugendes und ausgesprochen hilfreiches Buch  vor allem Psychiater, Psychologen  und andere seelische Ratgeber sollten sich Christian Peter Dogs' Haltung und Vorgehen zum Vorbild nehmen.