Sonntag, 29. Juli 2012

Sich annehmen

Sich annehmen –
Das Schwierigste von der Welt, sich als das zu nehmen, was man ist –
und nicht zu verachten, was man ist. Sich dareinfinden, dass man sterblich ist – – und unwissend – – sich ehrlich mit dem abfinden, was sich durch keinerlei Handlungen ändern lässt – vorbehaltlich derer, die man noch entdecken könnte und die es ändern würden.

Paul Valéry

Sonntag, 22. Juli 2012

Über Borderline

Jerold J. Kreismans und Hal Straus' "Ich hasse dich - verlass mich nicht: Die schwarzweisse Welt der Borderline Persönlichkeit" liegt jetzt in einer komplett aktualisierten und erweiterten Neuausgabe vor (Kösel Verlag, München 2012).

Im Vorwort lese ich, dass es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung noch immer um eine Krankheit handelt, die die Allgemeinheit verwirrt und viele Fachleute in Schrecken versetzt. Kein Wunder, denn: "In gewisser Weise kämpfen wir alle mit demselben Problemen wie die Borderline-Persönlichkeit - die Bedrohung durch Trennung, die Angst vor Zurückweisung, die Verwirrung der Identität, Gefühle von Leere und Langeweile." Stimmt, doch was macht denn jetzt die Borderline-Persönlichkeit aus? Das Ausmass, die Intensität. "Der Unterschied besteht jedoch darin, dass nicht alle Menschen so sehr von dem Syndrom kontrolliert werden, dass es ihr Leben stört oder beherrscht."

Schaut man sich die schematische Darstellung "der Position der Borderline-Persönlichkeit in Bezug auf andere psychische Störungen" auf Seite 45 an, wird einem schnell klar, dass man auch heute noch von einer einigermassen klaren Definition, worum es sich bei Borderline handeln könnte, weit entfernt ist, denn da gibt es (wie bei allen seelischen Störungen) unzählige Überlappungen mit Sucht, Depression, Aufmerksamkeitsdefiziten, Narzissmus, Panikattacken etc. etc.

Die Borderline-Persönlichkeit erlebt die Welt als schwarzweiss. "Der Betroffene ist emotional gesehen ein Kind und kann menschliche Widersprüche und Mehrdeutigkeit nicht tolerieren." In der Borderline-Welt gibt es also keine Abstufungen, keine Grauzone, keine Nuancen und Schattierungen, so die Autoren. Doch kann das wirklich sein? Obwohl als Grundmuster durchaus plausibel, scheint dies bei genauerer Betrachtung etwas arg verkürzt, denn: "Obwohl es der Borderline-Persönlichkeit äusserst schwerfällt, ihr Privatleben zu bewältigen, kann sie im Beruf produktiv sein - besonders dann, wenn die Arbeit gut strukturiert, klar definiert und unterstützend ist." Es ist nicht einzusehen, weshalb ein gut strukturiertes, klar definiertes und unterstützendes Privatleben nicht ebenfalls positive Resultate zeigen könnte.

Treffend halten die Autoren fest: "Das grösste Hindernis auf dem Weg zur Veränderung für die Borderline-Persönlichkeit ist die Neigung alles in absoluten Extremen zu bewerten. Die Borderline-Persönlichkeit muss entweder ganz perfekt sein, oder sieht sich als völliger Versager. Sie ist nicht gewillt, mit den Karten zu spielen, die an sie ausgeteilt wurden. Wenn sie nicht sicher ist, dass sie gewinnen kann, spielt sie nicht aus, was sie auf der Hand hat. Die Situation bessert sich, wenn sie lernt, ihre Karten zu akzeptieren, und erkennt, dass sie immer noch gewinnen kann, wenn sie geschickt spielt."

Was die Borderline-Persönlichkeit letztlich lernen muss, ist Selbstverantwortung. "Darin unterscheidet sich die Borderline-Persönlichkeit in nichts von jeder anderen Behinderung. Ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, löst Mitgefühl aus, aber dennoch ist er verantwortlich dafür, eine Rollstuhlrampe zu finden, wenn er Ausflüge unternehmen möchte, und seinen Rollstuhl in einem guten Zustand zu halten, sodass er stets einsatzbereit ist." Wie sagte doch Leo Tolstoi so treffend: "Wahres Leben wird gelebt, wenn kleine Änderungen eintreten." Besonders eindrücklich illustrieren das die verschiedenen Fallgeschichten in diesem informativen Buch.

Jerold J. Kreisman und Hal Straus
Ich hasse dich - verlass mich nicht
Die schwarzweisse Welt der Borderline Persönlichkeit
Kösel Verlag, München 2012.

Sonntag, 15. Juli 2012

Toshihiko Seko

Doch so sehr mir der Langstreckenlauf auch liegt, es gibt immer Tage, an denen ich träge und schwerfällig bin und keine Lust habe. Eigentlich sogar viele. Dann denke ich mir alle möglichen Ausreden aus, um mich zu drücken. Kurz nachdem der Olympialäufer Toshihiko Seko sich von dem aktiven Sport zurückgezogen hatte und Trainer des S&B-Teams geworden war, machte ich ein Interview mit ihm, bei dem ich ihn fragte: "Kommt es bei einem Läufer Ihres Niveaus auch vor, dass Sie keine Lust haben und lieber zu Hause im Bett bleiben würden?" Herrn Sekos Gedanken standen ihm ins Gesicht geschrieben, und in einem Ton, dem man anhörte, für wie blöd er meine Frage hielt, sagte er: "Selbstverständlich. Andauernd."

Haruki Murakami: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede.

Sonntag, 8. Juli 2012

Learning healthy behaviors

Substance abusers can learn healthy behaviors that provide the same (albeit less potent) good feelings they used to seek from a bottle, a pill or a needle. In fact, that may be what makes some rehab programs so effective for certain addicts. The behaviors these programs encourage — socializing, seeking companionship, anticipating, planning and finding purpose — are all part of an ancient, calibrated system that rewards survival behaviors with drugs from an animal’s inborn pharmacy. 


Barbara Natterson-Horowitz / Kathryn Bowers: Our Animal Natures 
The New York Times, 9 June 2011

Sonntag, 1. Juli 2012

Celebrity redemption

It's a cliché now that when celebs get caught with their hand in the cookie jar, or their nose in the sherbet, they go to rehab. (People like me, who can take stuff or leave it, outrage the prevailing orthodoxy with our refusal to make an addiction out of an amusement.) But sadly, just as all junkies are one atom of the same vast (dishonest, self-pitying, boring) entity – a bit like the Borg – so Reformed Characters are identically dull. From Kerry Katona to Will Self, from Russell Brand to Tara P-T, Not Doing Drugs becomes as central and boastful in their lives as Doing Drugs once was; they still can't bear not to be stage-centre, but now they expect respect for their abstinence rather than their indulgence.

Julie Burchill: Celebrity redemption is even more sickening than celebrity excess
The Independent, 14 April 2011