Mittwoch, 27. April 2016

An alcoholic is an alcoholic is an alcoholic

An alcoholic is an alcoholic is an alcoholic. And that means that too often he cannot control his impulses (and that is not limited to drinking) – whether he is at work or at home. In addition, and this makes him especially unpredictable, he's the typical Dr Jekyll and Mr Hyde kind: most of the time he's totally in control of himself until, all of a sudden, he completely loses it.

An alcoholic is dis-eased, in all aspects of his life. Everybody knows that. So why then do governments and media offer us such an absurd spectacle and act as if a dictinction can be made  between private and professional life? Because they do what we all do: they rationalise their behaviour, justify their acts and their non-acts; they pretend to have under control what can't be controlled. Because to live with the truth seems unbearable. And when it comes to addicition, the truth is this: we do not know what triggers it, we do not know how to stop it, we are mostly powerless against it. 

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Mittwoch, 20. April 2016

Der grosse Trip zu dir selbst

Cheryl Strayed, geboren 1968, landete mit ihrem autobiografischen Buch "Wild - Der grosse Trip" einen riesigen Erfolg, der von und mit Reese Witherspoon verfilmt wurde. Mit Der grosse Trip zu dir selbst liegt nun eine Sammlung ihrer Ratgeberkolumnen vor, in denen sie Fragen beantwortet "zu Liebe und Sex, zu Geld und Verlust, zu Eltern und Kindererziehung, darüber, wie man schlechte Gewohnheiten ablegt, Traumata und Suchtverhalten überwindet, sich von einem gebrochenen Herzen und einer verkorksten Kindheit erholt."

Wie kommt eine zweiundvierzigjährige, geschiedene, wiederverheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, die von sich selber sagt, dass sie keine Ratgeberkolumnen liest, dazu, eine solche zu schreiben? Nun ja, ein Bekannter und Schriftstellerkollege hatte sie angefragt. Ja gesagt hatte sie nicht zuletzt, weil es dabei wie bei der Schriftstellerei auch darum geht, "von Grund auf auszuloten, was es heisst, ein Mensch zu sein."

Als Online-Ratgeberin sah sie ihre Aufgabe darin, den Leuten "aus der Sicht von jemandem beizustehen, der das alles selbst schon mitgemacht hat - beziehungsweise, in manchen Fällen, immer noch mitmacht." Da redet und schreibt also keine Besserwisserin oder einschlägig diplomierte Expertin, sondern eine Frau, die über viel reflektierte Erfahrung verfügt.

"Jedem meiner Beiträge lag meine feste Überzeugung zugrunde, dass die Wahrheit zwar manchmal wehtut, uns aber niemals umbringt. Genau genommen kann nur sie allein uns Erlösung bringen." Da ich das genauso sehe, habe ich Cheryl Strayeds Ausführungen mit Sympathie und Interesse gelesen.

Der grosse Trip zu dir selbst ist weit entfernt von der Art Ratgeber, der einem sagt, was man tun soll, damit alles auch garantiert gut werden wird. Stattdessen erzählt Cheryl Strayed Geschichten von sich, erläutert, wie sie selber mit bedrängenden Fragen umgegangen ist und bietet so die Möglichkeit zur Identifikation.

"Vertrau auf dich. Das ist Cheryls goldene Regel. Auf sich vertrauen bedeutet, das zu leben, was man als richtig erkannt hat." Und wenn man das noch nicht weiss? Dann muss man darum kämpfen. Mit Mut. "Und 'Wenn dein Mut sich dir verweigert', wie Emily Dickinson schreibt, 'geh über deinen Mut hinweg.'"

Einer Scheidungsgeschädigten (ihre Eltern haben sich scheiden lassen) rät sie, nicht ihren Emotionen nachzugeben, sondern ihr logisches Denken zu gebrauchen. "Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn du dich im Augenblick ganz stark auf die rationale Seite stützt.. Nicht, um deine Trauer auszublenden, sondern um die rechte Perspektive wieder herzustellen."

Einem Alkoholiker empfiehlt sie: "Hör auf mit dem Alkohol. Im Privaten. In Gesellschaft. Morgens. Mittags. Nachts. Und am besten für immer." Sie lässt keinen Zweifel daran, dass dies gelingen kann. Falls man dazu bereit ist, sein Leben zu ändern.

Cheryl Strayed überzeugt als Ratgeberin, weil sie aufrichtig und freimütig ist. Und ohne weiteres zugibt, viele Jahre gebraucht zu haben, um zu erkennen, dass eine Frage wie 'Was zur Hölle soll der Scheiss?' manchmal "einfach so stehen bleiben muss, wie ein einsamer Kaktus in der Wüste." Weil nämlich manche Dinge ganz einfach "durch und durch schlimm, falsch und unerklärlich sind."

Cheryl Strayed
Der grosse Trip zu dir selbst
Kailash Verlag, München 2016

Mittwoch, 13. April 2016

On saving face

You can't save your face and your ass at the same time.

A.A. aphorism

Mittwoch, 6. April 2016

Verstehen, was uns süchtig macht

Wir leben in süchtigen Zeiten, halten es für normal, dass wir von allem immer mehr wollen und dass nichts genügt. Süchtig machen kann alles und jedes, sei es Alkohol, Drogen, Internet, Handys, Bulimie oder Shopping. Helmut Kuntz von der Fachstelle für Suchtprävention der Drogenhilfe Saarbrücken hält für "die am meisten unterschätzte Form süchtigen Verhaltens weltweit die Macht-, Herrsch- und Kontrollsucht in all ihren vielfältigen Gesichtern und Ausprägungen." 

Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Schlüsselstellen in Wirtschaft und Verwaltung selten von den menschlich und fachlich Besten besetzt werden, sondern von machtbesessenen, herrschsüchtigen Kontrollfreaks. Da uns eingetrichtert worden ist, dass Gier und Egoismus gut und der Karriere förderlich sind, fällt den meisten gar nicht auf, dass wir "weltweit allzu häufig von emotional reduzierten wie professionell inkompetenten Menschen" regiert werden.

Helmut Kuntz macht in Verstehen, was uns süchtig macht nicht nur klar, dass den Hals nicht voll zu kriegen für eine auf Wachstum fixierte Gesellschaft so recht eigentlich unabdingbar ist, er zeigt auch auf, wie schief unser Bild von Süchtigen ist. "Psychisch kranke Menschen sind nicht 'gestört', sondern ihr Geist oder ihre Seele sind verletzt."

Würde man dies akzeptieren, müsste die derzeit praktizierte Suchttherapie abdanken, denn diese funktioniert nach Sucht-Prinzipien: immer schneller, immer billiger. "Standardisierte Diagnosen gehen in unserem nach geldwertem Denken strukturierten Gesundheitssystem zudem mit der Vorgabe einher, sie könnten mit ebensolchen standardisierten Therapien behandelt werden."

Begreift man hingegen Süchtige als an Geist oder Seele Verletzte, die deswegen besondere Schwierigkeiten haben, mit dem gänzlich ungesunden Leben, das uns unsere Gesellschaft aufzwingt (wir uns selber aufzwingen), klarzukommen, wird man ihnen mit einer Haltung begegnen können, die es erlaubt, individuell auf den Einzelnen einzugehen.

"Verstehen wir, welche Schwierigkeiten ihnen das Leben bereitet, und legen wir im Umgang mit ihnen einen entsprechenden Fokus darauf, erweisen sich viele süchtig Agierende als überaus liebenswerte Menschen, die goldene Schätze in sich tragen", schreibt Helmut Kuntz. Ob es wirklich viele sind, weiss ich nicht, doch bei einigen ist das in der Tat so.

Gemäss Kuntz handelt es sich bei der Sucht um "eine Emotions- und Beziehungskrankheit mit gesellschaftlichen Ursachen". Und er hält fest: "Eine stimmige nachvollziehbare Theorie der süchtigen Abhängigkeit ist unverzichtbar, wenn wir das Phänomen mit seinen vielen Gesichtern in seinem Ursachengeflecht tatsächlich verstehen wollen."

Ich sehe das etwas anders. Natürlich ist Sucht auch "eine Emotions- und Beziehungskrankheit mit gesellschaftlichen Ursachen" (obwohl das eher eine Definition von Borderline ist), doch hauptsächlich handelt es sich bei der Sucht (wie übrigens bei den meisten seelischen Schwierigkeiten) um eine tiefe spirituelle Krise, die sich als Lebensverweigerung manifestiert (es gehört erwähnt: der Bezug des Autors zum Spirituellen durchzieht das ganze Buch). Auch geht es meines Erachtens nicht darum, ein Ursachengeflecht zu identifizieren, denn mit Ursache- und Wirkungsdenken kommt man im Bereich der Seele nicht sehr weit.

Nichtsdestotrotz gehe ich mit Kuntz' Ausführungen und Folgerungen weitgehend einig. Insbesondere, dass es darum geht, "Macht über sich selbst" zu erlangen. Diese Selbstmächtigkeit hat viel mit Kunst zu tun, "mit angewandter Lebenskunst nämlich." Ganz genau! Nur gilt das ja nicht nur für Süchtige, sondern so recht eigentlich für uns alle.

Um diese Lebenskunst zu erlernen, brauchen wir Hilfe, wir alle. Und wir brauchen die Art von Aufklärung, die dieses Buch liefert, das neben der Alkohol-, Drogen-, Internet- und Handysucht auch die Ich-Sucht, für mich die Mutter aller Süchte, thematisiert. Und noch vieles mehr, das aufzeigt, dass Sucht nicht einfach persönliches Versagen ist.

Verstehen, was uns süchtig macht ist eine lohnenswerte und hilfreiche Lektüre, weil da ein lebenserfahrener und denkfreudiger Mann Sucht in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stellt sowie vielfältige und nützliche Anregungen gibt, wie das Sich-Selber-Meistern gelingen kann.

Helmut Kuntz
Verstehen, was uns süchtig macht
Hilfe zur Selbstheilung
Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2015