Sonntag, 7. September 2025

Gesünder kränkeln

Es geschieht ausgesprochen selten, dass mich bereits der erste Satz Tränen lachen macht: "Hiking, Mountain-Bergsteiging, Paradontosing, Dingolfing – Freizeitbeschäftigungen müssen seit über dreissig Jahren konsequent auf -ing enden, sonst werden sie nicht ernst genommen – ausser vielleicht: Beach-Mikado." Mein Losprusten mag natürlich auch meiner Ignoranz geschuldet sein, da ich bei Dingolfing bisher immer an den Herkunftsort meiner Freundin Ingrid gedacht habe ... Wie auch immer ... Und dann dieser Satz: "Die Forderung nach geringerer Arbeitszeit kollidiert mit der Tatsache, dass viele Leute schon jetzt nicht wissen, wie sie die Zeit totschlagen sollen." Vielleicht könnten ja Drogen helfen ...

Der Titel Gesünder kränkeln ist schlicht genial und erinnert mich an die Antwort auf die Frage: Was gewinnt man, wenn man mit dem Trinken aufhört? Man wird gesünder sterben. So Bernard Trink einst in der Bangkok Post.

Meine anfängliche Begeisterung nahm zwar mit der Zeit ab, auch wegen zu vieler, sich nicht gerade aufdrängender Lautspiele. "Wen lade ich zu meinem Wiedergeburtstag ein? Karma und Dharma, schon klar, aber was genau ist Pharma? Was kommt nach der Tigermücke in unsere Breiten – die Lao-Tse-Tse-Fliege?" Na ja. Dann allerdings wieder dieser herrliche Satz, der "einer chinesischen Geschwindigkeitsphilosophin" (Was auch immer das sein mag!) zugeschrieben wird: "Wo es Gründe gibt, sind Ursachen nicht weit."

Gesünder kränkeln ist überaus reich an Beispielen von recht eigenartigen Überzeugungen (der Mensch ist so!), die sich immer öfter auch als als Gesundheitswahn zeigen. Irregeleitet war der Mensch ja schon immer, doch ganz offensichtlich noch nie so sehr wie heute, was der Autor zumeist höchst gelungen vorführt.

Ganz vieler Themen hat Thomas C. Breuer sich angenommen, das geht von Angeln über Nordic Noir bis zu Wellness. Und darüber hinaus. Der Zwang, auf Teufel-Komm-Raus originell sein zu müssen, bekommt dem Buch allerdings nicht, doch es finden sich eben auch immer mal wieder echte Perlen, also überraschende und smarte Einsichten, die man auf sich wirken lassen sollte, weil man sich anschliessend entschieden gut fühlt, und vielleicht sogar besser als zuvor. "Das beste Anti-Aging-Programm ist immer noch: jung bleiben!"

Zu meinen Favoriten gehören Sätze wie: "Die Landlust ist weit verbreitet, als Sachbuch, als Kochbuch, als Briefpapier, als Handarbeit ...". Oder: "Das Glück ist anspruchsvoller geworden, es lässt sich gerne bitten, immerhin ist es das höchste Gut und Ziel menschlichen Lebens, hat Aristoteles festgestellt. Nein, nicht Onassis." Oder: "In England verschreiben Ärzte Angeln auf Rezept, so geschehen unlängst in Manchester. (Man nennt dieses Volk nicht zufällig Angelsachsen.)."

Was der Autor allerdings anhand von Zen ausführt, ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er nicht einmal den Ansatz eines Schimmers hat, was Zen ist. Nicht, dass ich das selber so genau wüsste, doch eben doch genau genug, um zu wissen, dass der Thomas C. Breuer davon rein gar nichts begriffen hat. Da etwas humorvoll darzustellen voraussetzt, dass man dieses etwas auch so in etwa versteht, bleibt dieser Versuch leider vollkommen humorfrei.

Nichtsdestotrotz; Gesünder kränkeln ist nicht nur lustig zu lesen, sondern formuliert auch Wahrheiten über unsere geistig-seelische Befindlichkeit, die heutzutage anscheinend nur noch von Komikern geäussert werden können.

Thomas C. Breuer
Gesünder kränkeln,
Wohlfühlatlas zum Stabilbleiben
Carl-Auer-Verlag. Heidelberg 2025

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen