Drei Monate im Jahr lebe ich in paradiesischen Verhältnissen. Ich schätze das, doch so rundum zufrieden, wie ich mir vorstelle, dass ich es sein sollte, bin ich trotzdem nicht. Ganz und gar nicht.
Dezember, Januar und Februar sind in Südbrasilien Sommermonate. Ich bewohne ein Häuschen in einem Park, unterrichte ein paar Stunden pro Tag englische Konversation, lerne Portugiesisch, verfasse Essays und lese Bücher. Es gibt nichts, absolut gar nichts, was ich mir anders wünschen würde. Wenn da nur meine Gefühle nicht wären – die sind nur selten paradiesisch und machen, was sie wollen. Logik – meine Logik – ist ihnen offenbar unbekannt.
Verfügen Gefühle eigentlich über einen Willen? Und falls nicht: Wer steuert sie? Genauer: Welcher Depp steuert sie? Ich jedenfalls nicht, auch wenn mir Deppen-Momente durchaus geläufig sind. Wobei: Ich habe versucht, sie zu steuern. Und zwar ernsthaft. Also immer mal wieder, für ein paar Minuten. Ja, klar, ich bin ungeduldig. Doch meine Gefühle, die sind so was von schnell, da komme ich gar nicht hinter her. Selbstständig sind sie obendrein. Und zudem rücksichtslos. Noch nie haben sie mich gefragt, ob ich mit diesem ständigen Rauf und Runter, diesem andauernden Hin und Her einverstanden sei.
Die emotionale Achterbahn ist für mich nichts Neues. Vor allem während der Nacht. Tagsüber bilde ich mir ein, ich hätte Kontrollmöglichkeiten. Obwohl, Kontrolle ist vielleicht etwas hoch gegriffen – ich lenke mich einfach ab. Nur habe ich mir vorgestellt, dass, wenn die Umstände so ideal sind wie in meinen südbrasilianischen Sommern, meine Gefühle sich anpassen würden. Ob das Wünschen jemals geholfen hat?
Das Blöde an den Gefühlen ist, dass sie mich offenbar nicht hören können. Ich habe schon auf ganz viele Arten versucht, mir Gehör zu verschaffen – laut, leise, flüsternd, schreiend, brüllend, knurrend, seufzend, stöhnend, you name it. Nichts, keine Reaktion. Auch die spirituelle Variante – ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann – hat nichts gebracht, da ich nicht weiss, wie das praktisch gehen soll.
Und dann meldete sich eine innere Stimme, die da sagte: Das Leben wird eindeutig überschätzt. Fast ständig auf Autopilot, ohne recht wahrzunehmen, wer oder was oder wo man ist, trottet man so dahin, ein reines Gewohnheitstier, das ab und zu einen guten Moment hat. Das ist definitiv zu wenig, meint mein Verstand, der fast gleichzeitig sagt: Vergiss deine Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen. Just look and see.
Das Leben ist alles gleichzeitig: schön und faszinierend, aufregend und spannend, langweilig und mühsam, lustig und traurig, leicht und anstrengend, Verzweiflung und Freude, Traum und Albtraum, Zumutung und Geschenk. Ein Nebeneinander von Rätsel und Wunder, in dem auch meine Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen Platz haben – sofern ich sie nicht allzu ernst nehme, ihnen unaufgeregt und gelassen begegne.

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