Mittwoch, 10. Oktober 2018

Ein Weg zu Liebe und Gelassenheit

Der Buchumschlag ist ähnlich gestaltet wie der von Ein Regentropfen kehrt ins Meer zurück, dem überaus gelungenen und hilfreichen Vorgänger des vorliegenden Das Meer weist keinen Fluss zurück. Und so erwarte ich mir etwas ähnlich Überzeugendes, bin dann aber recht schnell irritiert, weil Abt Muho, wie der 1968 in Berlin als Olaf Nölke geborene Autor heute heisst, auf den ersten Seiten nichts mich Überraschendes, sondern nur ziemlich Triviales von sich gibt. Über die Liebe der Mutter, der Heimatliebe und darüber, dass er mit seinen Kindern (er lebt in Japan und ist mit einer Japanerin verheiratet) kein Deutsch sprechen will.

Er berichtet von seiner Kindheit und Jugend, von der Schule, den ersten Feinden, den ersten Freunden, der ersten Liebe. Das ist ansprechend erzählt, doch ich hatte mir Anderes erwartet. Nicht, dass ich eine genaue Vorstellung davon gehabt hätte, aber mit Olaf Nölkes Lebenslauf hatte ich bei einem „Weg zu Liebe und Gelassenheit“, so der Untertitel, nicht gerechnet. Andrerseits: Handelt nicht jedes Buch notwendigerweise von den Erinnerungen, Interessen und Einsichten des Autors?

Abt Muho führt unter anderem aus, was Christentum und Buddhismus zur Liebe sagen. Der Ausgangspunkt der beiden könnte verschiedener gar nicht sein: Im Buddhismus geht es darum, selbst zum Buddha zu werden. „Denn nur der, der selber zum Buddha wird, ist vom Leiden befreit und damit erlöst. Anders im Christentum. Ein gläubiger Christ mag zwar versuchen, Jesus nachzufolgen. Aber er wird nicht zu Gott werden wollen. Er weiss, dass er nur durch das Wirken Gottes erlöst werden kann.“

Schlagartig wird mir in aller Deutlichkeit klar, weshalb mich, der ich katholisch aufgewachsen bin, der Buddhismus (genauer: einige für mich wesentliche Aspekte des Buddhismus) immer angezogen hat: Zuerst kommt die Selbstliebe. Die Liebe zum Nächsten wird sich daraus ergeben.

Im Christentum gibt es eine klare Trennung zwischen Gott und dem Menschen. Der Christ glaubt, dass sich der Mensch nicht aus eigener Kraft erlösen kann – deshalb ist Jesus für die Erlösung der Menschen am Kreuz gestorben. „Buddha hingegen ist kein Gott. Deshalb steht jedem Menschen der Weg offen, selbst zum Buddha zu werden. Als der Inder Shakyamuni zum Buddha wurde, hat er das nicht getan, um dadurch die Menschheit zu erlösen. Vielmehr hat er ein Beispiel gesetzt, dem wir folgen sollen.“

Ausführlich erläutert Abt Muho, welche Hilfestellungen der Zenmeister Dogen für die Praxis der Liebe im Alltag gibt. "Gewöhnlich denkt man, dass man jetzt hier lebt und irgendwann, an einem hoffentlich noch sehr fernen Tag, sterben muss. Eine klare Trennung, die aber trügt. Denn wir sterben bereits heute, an genau diesem Tag. Jetzt. Jeder Tag des Lebens ist auch ein Tag des Sterbens. Leben und Sterben gehören fest zusammen. Man kann sie nicht trennen." Und was hat das jetzt mit der Liebe im Alltag zu tun? Diese Grundhaltung akzeptiert das Leben wie es ist. Und das meint: Es geht darum, alles anzunehmen, wie es ist. Auch sich selbst (das ist das Schwierigste). Und den geliebten Menschen. Mit Gelassenheit.

Das Meer weist keinen Fluss zurück ist kein Rezeptbuch, sondern eine Auseinandersetzung mit grundlegenden Lebensfragen. "'Ich verstehe nicht, warum die Menschen sich hassen!' Wer so spricht hat tatsächlich nichts verstanden und droht, seine Beziehung zu dem oder den anderen gegen die Wand zu fahren. Der Ursprung von Zwietracht und Hass liegt immer auch in einem selbst. Und wirklich zu lieben, muss man wissen, dass man auch hassen kann. Sonst droht ein böses Erwachen."

Abt Muho
Das Meer weist keinen Fluss zurück
Ein Weg zu Liebe und Gelassenheit
Berlin Verlag, München 2018

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