Mittwoch, 15. Mai 2013

Wenn Alkohol zum Problem wird

Wenn Alkohol zum Problem wird ist kein Buch, das man Seite für Seite lesen muss, man kann sich auch das anschauliche Inhaltsverzeichnis vornehmen und sich dann davon leiten lassen, was einen am meisten interessiert. Mich zum Beispiel zieht es sofort zur Frage "Abstinenz oder kontrolliertes Trinken?", denn wenn da einer für kontrolliertes Trinken plädiert, dann kann ich mir die Lektüre sparen. Michael Soyka hält kontrolliertes Trinken für kein realistisches Behandlungsziel. Dabei differenziert er: bei Personen, die zwar ein kritisches Trinkverhalten zeigen, jedoch noch nicht abhängig sind, ist es vielleicht möglich, falsche Trinkmuster zu korrigieren; bei Alkoholkranken hingegen nicht, da ist nur Abstinenz als Ziel sinnvoll.

"Wie entsteht ein Suchtkreislauf?"
Dazu zitiert Soyka Antoine de Saint-Exupéry, der in "Der kleine Prinz" folgenden Dialog schildert:
"Warum trinkst du?"
"Weil ich mich schäme."
"Warum schämst du dich?"
"Weil ich trinke."

Was dieses Buch auszeichnet, ist des Autors Fähigkeit, Komplexes mit wenigen Worten auf den Punkt zu bringen. So hält er zum Beispiel zum Persönlichkeitsabbau fest:
"Langfristig kommt es bei vielen Betroffenen auch zu einem alkoholbedingten Persönlichkeitsabbau. Typisch dafür ist der rasche Wechsel der Stimmung und eine Veränderung des Lebensumfeldes. Die Interessen engen sich zunehmend auf das Alkoholikermilieu ein. Familiäre Kontakte oder sogar die Körperpflege werden vernachlässigt."

Man lernt Interessantes und Nützliches bei Professor Soyka, dem ärztlichen Direktor der Privatklinik Meiringen/Schweiz. Schon mal von "Alkoholberufen" gehört? Darunter versteht man Berufe, die mit der Herstellung und dem Vertrieb von Alkohol zu tun haben (Gastwirte, Kellner ...) und deren Lebenserwartung viel geringer ist als die in anderen Berufsgruppen. Das gilt auch für Personen, die quasi berufsbedingt in alkoholträchtiger Umgebung unterwegs sind (Journalisten, Politiker etc.).
Wussten Sie übrigens, dass viele Alkoholkranke zusätzlich zu Alkohol auch Medikamente benutzen? Über deren potentielle Gefährlichkeit erfährt man auch etwas in diesem Buch. Und über Entgiftung. Und Selbsthilfegruppen. Und darüber, ob man seine Alkoholkrankheit geheim halten soll oder nicht.

Wenn Alkohol zum Problem wird stellt viele Fragen und beantwortet sie auch gleich. Etwa, ob Alkoholiker alkoholfreies Bier trinken können? Nein, denn damit könnte das Suchtgedächtnis aktiviert werden. Oder: Sollen Angehörige in die Therapie miteinbezogen werden? Ja klar, denn möglicherweise gibt es Verhaltensweisen in Beziehungen, die dem Genesungsprozess wenig förderlich sind; diese gilt es zu erkennen und zu besprechen.

Michael Soyka liefert in diesem handlichen Werk, was er im Vorwort verspricht: ausführliche und verständliche Informationen über Ursachen, Folgen und Behandlung des Alkoholismus. Dabei sieht er die Suchterkrankung auch als Chance und meint das gar nicht etwa esoterisch abgehoben, sondern ganz realistisch: "Die Chance, etwas ändern zu können und zu müssen." Mit anderen Worten: sich zu ändern, setzt die Bereitschaft (die Einsicht genügt nicht!) in die Notwendigkeit voraus, sich zu ändern.

Fazit: Ein empfehlenswertes Buch für Menschen, die Probleme mit Alkohol haben, denn sie werden darin vielfältige Aufklärung darüber finden, welche Schritte zur Genesung führen können.

Michael Soyka
Wenn Alkohol zum Problem wird
Suchtgefahren erkennen – den Weg aus der Abhängigkeit finden
Trias Verlag, Stuttgart 2009

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen