Sonntag, 16. September 2012

Erschöpfung und Depression

Der Mediziner Michael Spitzbart misstraut der herkömmlichen Medizin schon lange. "Sosehr diese Medizin Lorbeeren bei der Behandlung akuter Krankheiten einheimst, sosehr versagt sie bei der Therapie chronischer Leiden ... Nehmen Sie einem Hautarzt beispielsweise die Cortisonsalbe weg, ist er um die Hälfte seiner Therapiemöglichkeiten beraubt. Und, schwupps, das Ekzem ist wieder da." Woran liegt's? Am System, meint Spitzbart, denn dieses behandle das Symptom und nicht die Ursache.

Wahnsinnig originell ist dieser Ansatz zwar nicht, zudem setzt er voraus, dass Ursache und Symptom eindeutig zugeordnet werden können und das ist bei seelischen Leiden einigermassen fragwürdig. Gemäss Dr. med. Spitzbart steckt hinter Depression und Burnout oft ein gestörter Hormonstoffwechsel. "Doch: Wenn man das Blut nicht untersucht, kann man die Ursache für das Problem nicht finden. Und genau darauf habe ich mich in meiner Praxis spezialisiert: Der richtige Bluttest bringt Klarheit, die Substitution fehlender gehirnaktiver Eiweissbausteine schnelle Besserung. Was allerdings nicht heisst, dass das Leben dann wie eh und je weiterläuft. Bitte nicht! Jeder Betroffene sollte sich fragen: Warum ist es soweit gekommen? Wo liegt der Hund begraben? ...".

Alles klar also: bei Depression und Burnout zum Bluttest in die Praxis Dr. med. Spitzbart! Zugegeben, mich stört diese unverholene Selbstanpreisung, andrerseits spricht ja noch nicht unbedingt gegen den Mann, dass er ehrlich sagt, worum's ihm letztlich geht,

"Wenn die Hormone im Gehirn verrückt spielen, können Sie sich auf die Couch legen, so lange Sie wollen", bringt Spitzbart seinen Ansatz auf den Punkt: "Keine Biographie ist lupenrein und ohne Trauma verlaufen. Und angenommen, man findet eine scheinbare Ursache für ein späteres Unbehagen heraus: Geht es Ihnen dann besser, nur weil Sie jetzt die Ursache kennen? Sie sind weiterhin unglücklich, nur akademisch auf einem leicht höheren Niveau."

Als Gründe, die das Ausbrennen begünstigen, nennt Spitzbart sechs. Als da sind: Existenzängste, die ständige Erreichbarkeit, das Multi-Duty-Life, das Leistungsstreben, stressige Chefs, Depersonalisierung. Will Dr. Spitzbart vielleicht den modernen Kapitalismus abschaffen? Nicht doch, er propagiert die Spitzbart-Methode und die besteht darin, die Hormonproduktion anzuregen, und zwar die eigene, keine künstliche von aussen. Wenig überraschend kommen dann auch Patienten zu Wort, die sich über ihren Burnout und ihre Genesung äussern.

PS: Der Titel ist übrigens irreführend, denn über Depression erfährt man in diesem Buch praktisch nichts.

Dr. med. Michael Spitzbart
Erschöpfung und Depression:
Wenn die Hormone verrückt spielen
Kösel-Verlag, München 2012

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