Act Yourself into a New Way of Thinking
Reflections on destructive behaviour and attitude change
Mittwoch, 2. April 2025
Stimmen im Kopf
Sonntag, 30. März 2025
Welterklärungen
Warum?, fragt das Kind. Und dann, weil ihm die Erklärung nicht genügt, gerade noch einmal: Warum? Warum? Warum?
Der Mensch braucht Erklärungen, will wissen, weshalb die Dinge sind, wie sie sind. Nur eben: Seine Erklärungen kümmern die Welt nicht, denn sie ist nun einmal wie sie ist, mit oder ohne unsere Erklärungen.
Mit unseren Welterklärungen wird uns mehr genommen als gegeben. Sie erklären nichts, setzen nur an die Stelle eines Geheimnisses eine Gewohnheit zu denken, schrieb Hans Albrecht Moser in "Vineta".
Es ist dies einer der Sätze, die mich schon seit Langem begleiten und ich immer wieder neu erfahre. Auch wenn ich davon ausgehe, dass der innerste Kern meiner Persönlichkeit mein Leben lang unverändert geblieben ist, meine Welterklärungen in jungen Jahren haben sich grundlegend gewandelt. So begriff ich einst die Juristerei als Ringen um die Wahrheit, heute sehe ich darin nur noch ein Geschäftsmodell. Ebenso die Psychologie, die Geschichte, die Soziologie ...
Auch wundere ich mich heutzutage zunehmend über den Schwachsinn, den wir verinnerlicht zu haben scheinen. So werden wir etwa ständig daran erinnert, dass jemand als unschuldig zu gelten habe, bevor er juristisch verurteilt worden sei, was zu Absurditäten führt wie "der mutmassliche Verdächtige". Zudem: Ein Täter, der bei der Tat gefilmt wurde, ist kein mutmasslicher Täter, sondern ein Täter. Es braucht keine Gerichte, um uns zu sagen, was wir alle selber sehen können. Sich von solcher Bevormundung zu verabschieden, täte uns allen gut.
Mittwoch, 26. März 2025
Vom Leben mit der Endlichkeit
Sonntag, 23. März 2025
Eine wahre Geschichte von Mord und Maskerade
Im Sommer 1998 bringt der
amerikanische Schriftsteller Walter Kirn einen behinderten Jagdhund
von Montana nach Manhattan – zu Clark Rockefeller, der den Hund via
Internet adoptiert hat. So beginnt die fünfzehn Jahre währende
Beziehung Kirns mit diesem reichen Sonderling, der sich dann jedoch
als Serienbetrüger, Kidnapper und eiskalter Mörder entpuppt. Auch
Walter Kirn selber wird als Opfer ausgelotet.
Bei dem
vermeintlichen Clark Rockefeller handelt es sich in Wahrheit um
Christian Gerhartsreiter, einen Psychopathen, den Kirn auf Anhieb
nervig fand, „ein putziger kleiner Hobbit, der sich selber für so
amüsant hielt, dass er etwas Wahnhaftes hatte.“ Er lässt sich von
Rockefeller/Gerhartsreiter in Restaurants und Clubs ausführen, in
seine Wohnung einladen („spartanisch und schmucklos ... die Kunst
an den Wänden aber war kühn und gewaltig“) und ist von seinen
Monologen hingerissen. Über Geld wird nicht gesprochen, auch dann
nicht, als Kirn für seine Aufwendungen mit einem Check entschädigt
wird, der nicht einmal die Hälfte seiner Ausgaben deckt.
Christian
Gerhartsreiter, geboren 1961 im oberbayerischen Siegsdorf, geht mit
ganz unterschiedlichen Identitäten („Alles war kopiert,
angeeignet, nachgemacht ...“) durchs Leben. Als er durch Scheidung
das Sorgerecht über seine Tochter verlor, kidnappte er diese,
woraufhin er zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt
wurde. Während des Prozesses wurden verschiedene Aliase des falschen
Rockefellers aufgedeckt. In der Folge wurde er angeklagt, 1985 John
Sohus, den Adoptivsohn seiner damaligen Wohnungsvermieterin ermordet
zu haben. Heute sitzt der zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe
Verurteilte im Gefängnis von Los Angeles ein.
Walter Kirns
Tatsachenbericht „Blut Will Reden“ beschreibt einerseits die Welt
des Hochstaplers Gerhartsreiter und liefert damit ein eindrückliches
Gesellschaftsporträt: „Im Showgeschäft, das die eigene
Verlogenheit offen zur Schau stellt, hatte der aus Kalifornien
Geflohene nicht landen können, aber an der Wall Street kam er
gigantisch gut an.“
Andererseits versucht dieses Buch zu
ergründen, wie der abstinente Alkoholiker Kirn auf diesen
Psychopathen hereinfallen konnte. „Clark erkannte ein perfektes
Opfer, wenn er eins vor sich sah ...“). Doch was war es, das Kirn
zum Opfer machte? Hatte es damit zu tun, dass er Ritalin nahm? Diese
Tabletten riefen nämlich „ eine Stimmung hervor, in der ich wahl-
und unterschiedslos jederzeit zu allem bereit war.“ Oder hatte ihn
womöglich sein Geltungsbedürfnis zur Zielscheibe gemacht?
Der
Gründe sind wie immer viele. Auch des Hochstaplers Regiearbeit (und
nicht etwa seine schauspielerischen Fähigkeiten): „... der Einsatz
bestimmter Requisiten und die Art, wie er sich atmosphärische
Schwingungen zunutze machte“ trug dazu bei, dass sich Kirn
verführen liess. Wie auch die Tatsache, dass Clark literarisch hoch
gebildet und ein begabter Causeur war. „Das Essen war nichts
Besonderes, das Gespräch aber, als ich mich erst einmal darauf
eingelassen hatte und Clark in Fahrt gekommen war, liess sich mit
nichts vergleichen.“
Nicht unwesentlich dafür, dass Kirn
auf Clark hereingefallen ist, ist natürlich auch, dass so ein
Rockefeller-Zugang wunderbares Material für eine Geschichte, das
Brot des Schriftstellers, liefert. Wie sehr man sich dafür verbiegen
kann, beschreibt Walter Kirn einfühlsam, selbstkritisch und
schonungslos: „Ich hatte mich ebenso sehr angestrengt, hinters
Licht geführt zu werden, wie er daran gearbeitet hatte, mich hinters
Licht zu führen. Ich war kein Opfer; ich war Mittäter.“
Walter Kirn
Blut Will
Reden
Eine wahre Geschichte von Mord und Maskerade
C.H. Beck, München 2014
Mittwoch, 19. März 2025
Unselfish actions
Sonntag, 16. März 2025
Meine liebsten Schopenhauer-Zitate
Daß uns der Anblick der Tiere so ergötzt, beruht hauptsächlich darauf, daß es uns freut, unser eigenes Wesen so vereinfacht vor uns zu sehn.
Die Wilden fressen einander – die Zahmen betrügen einander.
Wenn Erziehung und Ermahnung irgend etwas fruchteten, wie könnte dann Senecas Zögling ein Nero sein?
Ein guter Vorrat an Resignation ist überaus wichtig als Wegzehrung für die Lebensreise.
Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.
Was das Herz nicht aufnimmt, lässt der Verstand nicht rein.
Wir sollten stets eingedenk sein, dass der heutige Tag nur einmal kommt und nimmer wieder.
Die Wichtigkeit der Gegenwart wird selten sofort erkannt, sondern erst viel später.
Der Morgen ist die Jugend des Tages. Alles ist heiter, frisch und leicht. Wir fühlen uns kräftig und haben alle unsere Fähigkeiten zu völliger Disposition. Man soll ihn nicht durch spätes Aufstehen verkürzen, noch auch an unwürdige Beschäftigungen oder Gespräche verschwenden, sondern ihn als die Quintessenz des Lebens betrachten und gewissermaßen heilig halten.
Ich fand eine Feldblume, bewunderte ihre Schönheit, ihre Vollendung in allen Teilen, und rief aus: „Aber alles dieses, in ihr und Tausenden ihresgleichen, prangt und verblüht, von niemandem betrachtet, ja oft von keinem Auge auch nur gesehn.“ Sie aber antwortete: „Du Tor! Meinst du, ich blühe, um gesehn zu werden?“
Ich weiß mir kein schöneres Gebet, als das, womit alt-indische Schauspiele schließen: „Mögen alle lebenden Wesen von Schmerzen frei bleiben“.
Mittwoch, 12. März 2025
Was mir so durch den Kopf geht
Auf der Avenue de la Gare in Annemasse geht mir unvermittelt Alain Delon durch den Kopf. Keine Ahnung weshalb, nach Gründen suche ich nicht; mir genügt, zu konstatieren, was geschieht. Zwei Tage später lese ich, er sei im Alter von 88 Jahren gestorben.
Mir ist Ähnliches auch schon passiert, doch Nein, ich habe kein spezielles Sensorium für bevorstehende Todesfälle, ganz im Gegenteil: So habe ich schon einigen Kotzbrocken den Tod gewünscht (und tue es immer mal wieder), ohne dass dieser dann auch eingetreten wäre.
Nichts empfinde ich als eigenartiger als was mir so durch den Kopf geht. Es ist selten, dass ich darauf achte; meistens merke ich nichts davon, obwohl mein Hirn ständig aktiv ist.
Nicht nur mein Hirn, auch mein Gedächtnis ist selbstständig unterwegs. Es tut, was es will. Was ich nicht vergessen möchte, vergesse ich zumeist; was mir hingegen vollkommen unwichtig scheint, geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Doch natürlich ist es komplizierter. Das sage ich immer, wenn es mir nicht wirklich erklärlich ist.
Ich lese gerade eine Cioran-Biografie, von der mir hauptsächlich bleibt, was die meisten wohl als Nebensächlichkeiten bezeichnen würden. Etwa, dass sein Alptraum eine Moschee in jedem Quartier gewesen sei. Oder, dass zu seinen Idolen Shakespeare, Bach, Beethoven, Dostoevskij und Nietzsche gehörten. Oder, dass er die Soziologie verachtete und auch von der Philosophie wenig hielt, da sie nichts anderes als Fragen stelle und ihre Antworten immer zweifelhaft seien.
Im Internet stosse ich auf eine 96Jährige, die unter anderem sagt, alles sei nichts als Sternenstaub, der Mensch genauso wie der Baum und der Komposthaufen. Nur die Form sei verschieden. Eine befreiende Einsicht.
Sich mit dem zu befassen, was einen die Schule, die Gesellschaft und die Massenmedien lehren, erfüllt mich zunehmend mit Verachtung und Abscheu. Sich mit dem zu befassen, was gerade ist (etwa dem Wunder, dass ich atmen, sehen und fühlen kann), erfüllt mich hingegen mit Staunen und Dankbarkeit.