Dieses Buch (die englische Originalausgabe erschien 1951) ist von grundsätzlicher Art und deshalb zeitlos bzw. immer aktuell. Mit anderen Worten: Es sind hilfreiche Gedanken, die Alan Watts hier äussert, hilfreich deswegen, weil sie aufzeigen, wie wir durch unser Denken Leiden schaffen. Sicher, unser Denken hat uns auch viel erreichen lassen, aber eben für einen Preis, der nicht gerade klein ist.
"Das Aufregendste am 'ICH', an der Natur und am Weltall ist vielleicht, dass es sich nie festhalten lässt. Doch genau dies tut unser Denken, das um das Leben sinnvoll zu machen, dieses in festen Ideen und Gesetzen verständlich zu trachten versucht. Nur eben: Das im Denken sich manifestierende 'ICH' ist "in Wirklichkeit ein Strom von Erfahrungen, Empfindungen, Gedanken und Gefühlen", der ständig in Bewegung ist.
Für Watts besteht das bedeutendste Merkmal des Leben darin, dahinzuströmen, und so recht eigentlich nicht zu fassen ist. Wir versuchen es trotzdem, denn unser Lebenswille sehnt sich nach Halt, nach etwas Festem, nach Sicherheit. Unsere Versuche sind zwar gänzlich widersinnig, doch das beeindruckt uns nicht.. "Wenn du versuchst, fliessendes Wasser in einem Eimer einzufangen, so zeigt das, dass du es nicht verstehst und dass du immer enttäuscht sein wirst, denn im Eimer fliesst das Wasser nicht. Um fliessendes Wasser zu haben, musst du es loslassen, musst du es fliessen lassen. Dasselbe gilt für das Leben und für Gott."
So recht eigentlich nehmen wir Alles und Jedes viel zu ernst, insbesondere unsere Gedanken und Gefühle, die zumeist ohne unser Dazutun kommen und gehen. "Was wir vergessen haben ist, dass Gedanken und Worte auf Vereinbarungen beruhen und dass es verhängnisvoll ist, solche Konventionen zu ernst zu nehmen." Ceci n'est pas une pipe, hatte René Magritte bekanntlich sein Bild einer Pfeife kommentiert. Genauso verwechseln wir unsere Gedanken und Worte über die Realität mit der Realität, was auch daran liegt, dass uns diese Gedanken und Worte den Halt verschaffen, nach dem wir uns sehnen.
Deutlich macht Alan Watts vor allem, dass die einzige Wirklichkeit, die wir erleben können, die Gegenwart ist, Alles Andere sind Vorstellungen, die uns allerdings eher knechten als befreien. "Es ist gerade die Realität der Gegenwart, dieses bewegte, lebendige Jetzt, das sich aller Erklärung und Beschreibung entzieht."
Selten ist mir das menschliche Paradox bewusster geworden: "Die Wunder der Technik zwingen uns, in einer hektischen Uhrwerks-Welt zu leben, die der menschlichen Biologie Gewalt antut und uns zu weiter nichts befähigt, als der Zukunft schneller und schneller nachzueilen." Was dabei auf der Strecke bleibt, ist das Erleben der Gegenwart, der einzigen uns bekannten Realität.
Weisheit des ungesicherten Lebens ist ein ungemein anregendes Buch, das wesentlich dafür plädiert, sich der gegenwärtigen Erfahrung hinzugeben, möglichst anstrengungslos. Und wie soll das gehen? Indem man sich dem Leben hingibt, also es nicht analysiert bzw. zu verstehen versucht. Alan Watts nennt es, "über das Denken hinaus zu gehen", was bedeutet, dass "das Mysterium des Lebens nicht ein Problem ist, das gelöst, sondern eine Wirklichkeit, die erfahren werden muss."
Fazit: Erhellende Ausführungen, von praktischem Wert.
Alan Watts
Weisheit des ungesicherten Lebens
O.W. Barth, München 2024
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