Mittwoch, 15. April 2020

Ohne Business-Plan

Es gibt ganz unterschiedliche Spielregeln. Jede Gruppierung hat ihre eigenen, mit jeweils eigens für sie erfundenen Sprachen. Man denke etwa an die Juristen, die Mediziner, Theologen und Schreinerinnen. Nur eben: ich mag nicht mitspielen, will nach meinen eigenen Regeln spielen. Und habe doch immer wieder mitgespielt, auch Regeln eingehalten, gegen die ich mich auflehnte.

Das geht vielen, wenn nicht allen so, doch den meisten fällt das nicht wirklich schwer, die ziehen das durch, ohne grosse Kämpfe und Krämpfe mit sich selber. Warum es mir selber so schwer fällt, ja so recht eigentlich unmöglich ist, mitzuspielen, weiss ich nicht wirklich. Meine unermüdlichen Anstrengungen, auf dieses Warum Antworten zu finden, erschöpften mich zunehmend, liessen auch immer wieder Verzweiflung und Wut aufkommen. Bis ich dann eines Tages angefangen habe, aufzugeben (und das seither immer wieder von Neuem tue, denn das Aufgeben ist ein Prozess) nach Antworten zu suchen, davon abgelassen habe, zu wollen, was ich glaubte, zu wollen. In den Augenblicken, in denen ich das schaffe, empfinde ich das Leben als spielerisch. Und fühle mich Günter Eich nahe, der kurz vor seinem Tod gemeint hat: Ich möchte nur noch spielen.

Das Leben sei unendlich viel labyrinthischer, als unser Gedächtnis uns weismachen wolle – unser Verstand wirke darauf hin, Geschichte in etwas Glatt-Lineares zu verwandeln, und daher unterschätzten wir die Rolle des Zufalls, lese ich in „Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen“ von Nassim Nicholas Taleb. „Und wenn wir damit konfrontiert sind, befällt uns Angst, und es kommt zu Überreaktionen (...) Wer bewusst Ordnung anstrebt, erzielt lediglich eine Pseudo-Ordnung; ein gewisses Mass an wahrer Ordnung und Kontrolle über die Dinge erlangt nur, wer den Zufall bejaht.“

Anstatt dauernd zu versuchen, die Dinge des Lebens in den Griff zu kriegen und damit zu kontrollieren, wäre es klar sinnvoller, uns dem Leben und damit den Zufälligkeiten des Lebens hinzugeben. Und genau dies haben wir verlernt. Als es noch keine geteerten Strassen, sondern nur Naturstrassen gab, musste der Mensch bei jedem Schritt aufpassen, wo er hintrat, heute muss er das nicht mehr, er kann sich auf die stabile, gleichförmige und ihm damit Sicherheit vermittelnde Teerunterlage verlassen. Wer einmal bei einem Erdbeben auf einer geteerten Strasse gestanden ist, weiss, dass diese Sicherheit eine vermeintliche ist.

Hans Durrer
Wie geht das eigentlich, das Leben?
Anregungen zur Selbst- und Welterkundung
neobooks, München 2017

Mittwoch, 1. April 2020

Das vierundachtzigste Problem

Einst wandte sich ein Bauer an Buddha und berichtete ihm von seinen Problemen. Er schilderte die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft und berichtete, wie die Dürre und der Monsun ihm die Arbeit schwer machten. Er erzählte auch von seiner Frau. Er liebte sie, aber er hätte sie in einigen Punkten gern anders gehabt. Dasselbe galt für seine Kinder. Auch diese liebte er, doch sie entwickelten sich nicht ganz nach seinen Vorstellungen. Als der Bauer geendet hatte, wollte er von Buddha wissen, wie dieser ihm bei seinen Schwierigkeiten helfen könne.

Buddha antwortete: "Es tut mir Leid, aber ich kann dir nicht helfen."
"Was soll das heissen?", schimpfte der Bauer. "Angeblich bist du doch ein grosser Lehrer."

Buddha erwiderte: "Weisst du, alle Menschen haben dreiundachtzig Probleme. Das ist die traurige Wahrheit. Einige Probleme verschwinden ab und zu, aber es dauert nicht lange, bis sich dafür andere einstellen. Wir haben also immer dreiundachtzig Probleme."
Der Bauer stiess verärgert hervor: "Wozu ist dann deine Lehre gut?"

Buddha antwortete: "Meine Lehre bietet keine Hilfe bei deinen dreiundachtzig Problemen, aber sie kann vielleicht beim vierundachtzigsten Problem helfen."
"Und wie lautet das?", erkundigte sich der Bauer.
"Das vierundachtzigste Problem ist, dass wir keine Probleme haben wollen."

Ezra Bayda: Zen sein - Zen leben