Dienstag, 15. September 2020

On the media and addiction

In our Corona times, one of the definitions of journalism that I've heard twenty years ago, while pursuing a Master's degree in Journalism Studies at the School of Journalism, Media and Culture at Cardiff University, Wales, UK, pops up again and again: No, not "critical inquiry" (that seems to belong to the wishful thinking-category) but: "Giving interested parties a platform." The reason is simple: media owners profit. It goes without saying that to profit is not only the goal of media owners, it is the defining feature of our money-driven times.

Nevertheless, the media provide lots of useful information during the present pandemic by giving scientists a platform. What a relief for once to hear such mostly sober voices. Unfortunately, platforms were also provided for people with exclusively self-serving agendas. This is unavoidable, one of the arguments goes, for journalists are neither judges nor censors.

Well, of course they fit these roles for they decide to whom to give a voice. And there seems to be a worldwide consensus that elected officials need to be covered. Even more so when the official in question happens to be a notorious liar, for his lies need to be exposed. Really?

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Dienstag, 1. September 2020

Die Kunst, mit einem Vulkan zu sprechen

"Kommunikationstechniken für Angehörige von Menschen mit Borderline", heisst der Untertitel. Dass jemand, für den schon der Begriff "Kommunikationstechnik" ein rotes Tuch ist, zu diesem Buch greift, hat in meinem Fall zwei Gründe: 1) ich habe von Borderlinern viel über mich und das Leben gelernt, 2) ich halte Ich hasse dich - verlass mich nicht, das der Autor zusammen mit Hal Straus verfasst hat, für eines der hilfreicheren Bücher über Borderline, die ich kenne.

Das Buch beginnt wie alle Sachbücher: Der Autor klärt über den derzeitigen Wissensstand in Sachen Borderline auf. Charakteristisch für Borderliner ist die Spaltung, mit der sie die Widersprüche und Mehrdeutigkeiten im Leben umgehen und Halt zu finden versuchen. Dazu kommt, dass Borderline im Verbund mit weiteren Störungen auftritt, vor allem Depressionen und Angststörungen.

So notwendig die Unterscheidungen von seelischen Erkrankungen auch sein mögen, letztlich sind die gängigen Zuschreibungen ausgesprochen willkürlich und vom Zeitgeist abhängig. Und manchmal wenig hilfreich: "... dauern die Gefühlsschwankungen bei Borderline in der Regel nur Stunden, statt tage- oder wochenlang wie bei der bipolaren Störung."

Menschen mit Borderline haben ausserordentliche Mühe Ambivalenz und Uneindeutigkeit auszuhalten. Also wird Eindeutigkeit gesucht, werden Schuldige gefunden. Wird der Partner oder die Partnerin zum Sündenbock gemacht, rät Kreisman, es nicht persönlich zu nehmen. "Akzeptieren Sie, dass sich darin eben die Verwirrung der Borderline-Persönlichkeit angesichts ihrer eigenen Ambivalenz spiegelt."

Die SET-UP Kommunikationstechnik, die in diesem Buch vorgestellt wird, bedeutet aufgeschlüsselt: Support (Unterstützung), Empathy (Mitgefühl), Truth (Wahrheit) sowie Understanding (Verständnis) und Perseverance (Beharrlichkeit). So einleuchtend diese Leitlinien auch sein mögen, in der Praxis (der Autor erläutert seinen Ansatz an zahlreichen Beispielen) überzeugen sie meines Erachtens nicht immer. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, es werde empfohlen, den Borderliner wie ein rohes Ei zu behandeln – was ich für den falschesten Ansatz überhaupt halte.

So rät er etwa einem Ehemann, dessen Frau gerade wütend ausrastet unter anderem zu einem 'mea culpa': "Ich werde mich bessern. Ich werde mich bessern.Aber das, was für uns beide gerade wichtiger ist ...". Fraglich ist auch, ob ein wütend ausrastender Borderliner für sachliche Argumente empfänglich ist. Wesentlich hilfreicher ist die Aufforderung: "Prüfen und respektieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Motive".

Dem Borderliner sind impulsive Wutausbrüche eigen, die auch bei der bipolaren Störung und anderen Formen der Persönlichkeitsstörung sowie bei Substanzmissbrauch vorkommen. "Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung jedoch tritt dieser Zorn nach einem absehbar unabsehbaren, konsequent inkonsequenten Muster in Erscheinung." Ein Satz, den man  mehrmals langsam lesen sollte, denn er bringt auf den Punkt, weshalb Borderline auch heute noch weitestgehend ein Rätsel ist.

Auch wenn ich viele der Hinweise und Ratschläge für ziemlich schlicht, oft auch für recht banal und schwierig umzusetzen halte ("Bleiben Sie cool. Würdigen Sie das Positive. Lenken Sie den Fokus auf etwas Unverfänglicheres. Achten Sie auf klare Grenzen" etc), die vielfältigen Aufklärungen über die Borderline-Persönlichkeitsstörung sind ausgesprochen hilfreich. Je mehr Angehörige über Verlassenheitsängste, innere Leere, verzerrte Fehleinschätzungen und Viktimisierung wissen, desto eher werden sie in der Lage sein, situationsgerecht zu handeln.

Jerold J. Kreisman
Die Kunst, mit einem Vulkan zu sprechen
Kommunikationstechniken für Angehörige
von Menschen mit Borderline
Kösel, München 2020