Mittwoch, 30. Oktober 2019

Not About Being Right

Recovery is not about being right; it's about allowing ourselves to be who we are and accepting others as they are.

That concept can be difficult for many of us if we have lived in systems that functioned on the "right wrong" justice scale. The person who was right was okay; the person who was wrong was shamed. All value and worth may have depended on being right; to be wrong meant annihilation of self and self-esteem.

In recovery, we are learning how to strive for love in our relationships, not superiority. Yes, we may need to make decisions about people's behavior from time to time. If someone is hurting us, we need to stand up for ourselves. We have a responsibility to set boundaries and take care of ourselves. But we do not need to justify taking care of ourselves by condemning someone else. We can avoid the trap of focusing on others instead of ourselves.

In recovery, we are learning that what we do needs to be right only for us. What others do is their business and needs to be right only for them. It's tempting to rest in the superiority of being right and in analyzing other people's motives and actions, but it's more rewarding to look deeper.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

Tod auf Rezept

2018 starben in den USA täglich rund 250 Menschen an hochwirksamen und süchtig machenden Schmerzmitteln (Opioiden), die sie etwa nach einer Operation oder einer Sportverletzung von Ärzten verschrieben bekamen. Die Pharmakonzerne spielten die Risiken einer Sucht herunter, sie tun das nach wie vor. Die Journalistin Beth Macy ist der Opioidepidemie nachgegangen, hat mit Betroffenen und Hinterbliebenen gesprochen und mit Dopesick – Wie Ärzte und die Pharmaindustrie uns süchtig machen einen eindringlichen (und hoffentlich aufrüttelnden) Bericht geschrieben.

Dopesick ist ein Textbuchbeispiel für gelungenen Journalismus nordamerikanischer Ausprägung, also eine spannend erzählte, aufklärende, detailreiche Geschichte. Typisch nordamerikanisch meint in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine ungeheure Fleissarbeit handelt, das puritanische Erbe zeigt sich selten überzeugender als im fleissigen Wollen. Daraus resultieren in diesem Buch viele verblüffende Erkenntnisse.

"Bisher haben sich neue Drogen immer von den grossen Städten nach und nach ins Umland ausgebreitet, wie beispielsweise Kokain und Crack. Bei der Opiodepidemie lief es jedoch genau umgekehrt, ihre Ausgangsbasis waren die isolierte Appalachen-Region, Bezirke im sogenannten Rust Belt des Mittleren Westens und das ländliche Maine. Arbeiterfamilien, deren Lebensunterhalt traditionell von Hochrisikobranchen wie dem Kohlebergbau - im Südwesten Virginias, den Stahlwerken im Westen Pennsylvanias und der Holzindustrie in Maine abhing, waren nicht nur die ersten Opfer des Opioidmissbrauchs, sie lebten auch noch in Gegenden, Tälern, Orten und Fischerdörfern, die als politisch irrelevant galten und von denen aus Therapieangebote nur durch stundenlange Fahrten zu erreichen waren." Mit anderen Worten: Ideale Bedingungen für eine Katastrophe – die dann auch  prompt eintraf.

Dopesick ist ganz vieles in einem, doch vor allem ist es eine Geschichte der Gier und ihrer Auswirkungen. Eindrücklich zeigt Beth Macy, wie krank der florierende Kapitalismus ist, der im Dienste des Profits keine Grenzen kennt. Konkret: Die FDA (Food and Drug Administration) erlaubte Fernsehwerbung für Medikamente, die nicht unter die Betäubungsmittel fallen. Die Werbeausgaben stiegen sprunghaft an, genauso wie die Gratisproben und andere Gratisgaben an Ärzte. Die Abhängigkeit von den Schmerzmitteln nahm zu, die Kriminalität ebenso, die Zahl der tödlichen OxyContin-Überdosen begann die durch Kokain und Heroin verursachten Todesfälle zu überschreiten.

Apropos die Kriminalität nahm zu. "Als die Metallpreise stiegen, hatte es Sheriff Parsons mit Dieben zu tun, die von der Friedhofsvase aus Kupfer bis zu den Drähten eines Telefonmastes, den Drogensüchtige umgeworfen hatten, alles mitgehen liessen, was sie in die Finger bekamen." Der Sohn eines Pastors klaute seinem Vater die Waffe und machte sie ihm Pfandhaus zu Geld. Am Rande: dass in Nordamerika Pastoren Waffen zu Hause haben, war mir neu.

Einige Ärzte mucken auf, greifen Purdue, den OxyContin-Hersteller, unter anderem wegen der Werbegeschenke an. Haddox, dessen medizinischer Leiter, verteidigt sich. "Andere Pharmaunternehmen machen das doch auch nicht anders", wandte Haddox ein. "Aber wegen Blutdrucksenkern beklauen die Leute nicht ihre Familien oder brechen beim Nachbarn ein", erwiderte (der Arzt) van Zee.

Die Toten häufen sich, der Widerstand nimmt zu, es kommt zu Gerichtsverfahren, Purdue hat im September 2019 Konkurs angemeldet.

So sehr Dopesick ein Buch darüber ist, was die Sucht mit Menschen macht, so sehr geht es auch weit darüber hinaus, zeigt also, wie alles letztlich mit allem zusammenhängt. Es macht unter anderem deutlich, dass der investigative Journalismus nach wie vor einiges bewirkt und belegt mit konkreten Beispielen, dass, entgegen der politischen Parteien-Propaganda, mit Geld in den USA auch die Justiz zu kaufen ist (und dass das Gegenteil manchmal genauso wahr ist).

 Fazit: Vielfältige, überzeugende und notwendige Aufklärung.

Beth Macy
Dopesick
Wie Ärzte und die Pharmaindustrie
uns süchtig machen
Heyne Hardcore, München 2019

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Unsere ichbezogene Perspektive

Dass wir inmitten von Millionen Menschen leben, bleibt eine abgedroschene, aussagelose Tatsache, die unsere alltägliche, ichbezogene Perspektive nicht in Frage zu stellen vermag. Es sei denn, unser Blick fällt etwa auf einen Stapel von zehntausend Sandwiches mit Schinken und Senf, alle aus gleich aussehendem, makellosem, baumwollweissem Brot und in identische Plastikhüllen verschweisst, hergestellt in einer Fabrik in Hull. Sandwiches, die eine Vielzahl schier unfassbar unterschiedlicher Mitbürger in den nächsten zwei Tagen essen werden und für die nun – dank der Sandwiches – in unserer inwendig gerichteten Phantasie schlagartig Platz eingeräumt wird.

Alain de Botton: Freuden und Mühen der Arbeit