Freitag, 15. Mai 2020

Über den Geist hinaus

Alan Watts (1915-1973) schrieb nicht nur bekannte Bücher, sondern hielt auch viele Radiovorträge. Aus diesen wählte sein Sohn Mark sechs aus, die nun unter dem Titel Über den Geist hinaus. Die östliche Weisheit der Befreiung in Buchform erschienen sind.

Die im Westen geläufigen Weltmodelle sind das keramische, gemäss dem "die Welt ein vom Schöpfer hergestelltes Artefakt ist – so wie ein Töpfer aus Lehm Töpfe formt oder ein Zimmermann aus Holz Tische und Stühle fertigt"und das vollautomatische Modell, wonach wir kosmische Zufallsprodukte sind. Beide Vorstellungen sind Mythen, sie sagen mehr über unsere Art zu denken aus als über die Welt wie sie ist.

Diesen Mythen nachzuhängen hat zur Folge, dass wir uns von unserer Umgebung getrennt fühlen. Nur eben: "Die ganze Welt bewegt sich durch dich hindurch – kosmische Strahlen, Sauerstoff, der Strom von Steaks und Milch und Eiern, die du verspeist – , alles fliesst geradewegs durch dich hindurch. Du bist ein Wirbel, und die Welt wirbelt dich herum."

Alan Watts geht davon aus, dass die Grundsituation unseres Lebens ideal ist. "Es gibt das zentrale Selbst – ob man es Gott nennet oder wie auch immer – , und wir alle sind es." Das sehen die meisten ganz anders, sie leiden unter Schuldgefühlen, dass sie überhaupt da sind und definieren sich als Opfer und Sünder. Eine bessere Variante wäre, Alan Watts' Rat zu beherzigen: "Ob Komödie oder Tragödie, du bist der Regisseur."

Über den Geist hinaus ist voller hilfreicher Denkanstösse. Zu meinen Favoriten gehört dieser hier: "Wenn du dich in Fantasien über eine Person ergehst, die du begehrst, dann drehe die Stickarbeit um und sieh dir die Rückseite an. Betrachte das ganze Chaos auf der Unterseite, aber lass dich nicht dabei erwischen. Tu es heimlich, denn auf der Vorderseite der Stickerei spielt du das Spiel, dass alles so ist, wie es sein soll. Das ist es, was dich menschlich macht, und es ist das, was dich komisch macht."

Das überaus Erfreuliche an Über den Geist hinaus gründet in Watts' Unerschrockenheit, seinem genauen Hinschauen und seinem Witz. "Unserer Erfahrung ist die Vorstellung eingepflanzt, dass die Existenz Schuld ist." Das Leben ist eine ernste Sache, wurde uns eingetrichtert, Spass kann dabei zwar vorkommen, doch dankbar zu sein, ist eindeutig wichtiger. Gott tanzt nicht, ausser bei den Hindus. 

Wir werden von früh auf konditioniert und zwar so, dass die Gesellschaft so weitermachen kann wie sie das gewohnt ist. "Zum Beispiel ist es im Krankenhaus tabu zu schreien, weil das Krankenhaus nicht für dich da ist, sondern für das Wohl der Belegschaft." In erster Linie werden wir daraufhin gedrillt, "das Leben im Sinne von Fortbestand und Nutzen zu betrachten." Nur eben: Dabei entgeht uns das Wesentliche, die Magie. "Und weil wir mit der Zeit aufhören, die Magie in der Welt zu sehen, taugen wir irgendwann nicht mehr für das Spiel der Natur, ihrer selbst gewahr zu sein, und sterben. Um nichts anderes geht es im Leben."

Über den Geist hinaus regt an, unsere Denktraditionen genau zu prüfen, neu und anders zu denken – wenn man denn mag. Ich mag, denn Watts' Ausführungen wirken zutiefst wahr und befreiend auf mich. "Was du gerade jetzt erfährst – vielleicht nennst du es das gewöhnliche Alltagsbewusstsein – , ist es. Und wenn du das erst erkennst, lachst du dich kaputt. Das ist die grosse Entdeckung."

Fazit: Ein überzeugendes Plädoyer, sich von seinen Selbsttäuschungen zu befreien!

Alan Watts
Über den Geist hinaus
Die östliche Weisheit der Befreiung
O.W. Barth, München 2020

Freitag, 1. Mai 2020

Live to learn and know yourself

After a while you learn the subtle difference between holding a hand and chaining a soul. And you learn that love doesn't mean leaning and that company doesn't mean security. And you begin to learn that kisses aren't contracts and presents aren't promises. And you begin to accept your defeats with your head up and your eyes open and with the grace of an adult not the grief of a child. And you learn to build all your roads on today because tomorrow`s ground is too uncertain for your plans. After a while you learn that even sunshine burns if you get too much.

So plant your own garden and decorate your own soul. Instead of waiting for someone to bring you flowers. And you will learn that you can endure that you really are special and that you really do have worth. So live to learn and know yourself. In doing so, you will learn to live.

Mario Quintana, 30 July 1906 — 5 May 1994, Brazilian Writer