Jerold J. Kreismans und Hal Straus' "Ich hasse dich - verlass mich nicht: Die schwarzweisse Welt der Borderline Persönlichkeit" liegt jetzt in einer komplett aktualisierten und erweiterten Neuausgabe vor (Kösel Verlag, München 2012).
Im Vorwort lese ich, dass es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung noch immer um eine Krankheit handelt, die die Allgemeinheit verwirrt und viele Fachleute in Schrecken versetzt. Kein Wunder, denn: "In gewisser Weise kämpfen wir alle mit demselben Problemen wie die Borderline-Persönlichkeit - die Bedrohung durch Trennung, die Angst vor Zurückweisung, die Verwirrung der Identität, Gefühle von Leere und Langeweile." Stimmt, doch was macht denn jetzt die Borderline-Persönlichkeit aus? Das Ausmass, die Intensität. "Der Unterschied besteht jedoch darin, dass nicht alle Menschen so sehr von dem Syndrom kontrolliert werden, dass es ihr Leben stört oder beherrscht."
Schaut man sich die schematische Darstellung "der Position der Borderline-Persönlichkeit in Bezug auf andere psychische Störungen" auf Seite 45 an, wird einem schnell klar, dass man auch heute noch von einer einigermassen klaren Definition, worum es sich bei Borderline handeln könnte, weit entfernt ist, denn da gibt es (wie bei allen seelischen Störungen) unzählige Überlappungen mit Sucht, Depression, Aufmerksamkeitsdefiziten, Narzissmus, Panikattacken etc. etc.
Die Borderline-Persönlichkeit erlebt die Welt als schwarzweiss. "Der Betroffene ist emotional gesehen ein Kind und kann menschliche Widersprüche und Mehrdeutigkeit nicht tolerieren." In der Borderline-Welt gibt es also keine Abstufungen, keine Grauzone, keine Nuancen und Schattierungen, so die Autoren. Doch kann das wirklich sein? Obwohl als Grundmuster durchaus plausibel, scheint dies bei genauerer Betrachtung etwas arg verkürzt, denn: "Obwohl es der Borderline-Persönlichkeit äusserst schwerfällt, ihr Privatleben zu bewältigen, kann sie im Beruf produktiv sein - besonders dann, wenn die Arbeit gut strukturiert, klar definiert und unterstützend ist." Es ist nicht einzusehen, weshalb ein gut strukturiertes, klar definiertes und unterstützendes Privatleben nicht ebenfalls positive Resultate zeigen könnte.
Treffend halten die Autoren fest: "Das grösste Hindernis auf dem Weg zur Veränderung für die Borderline-Persönlichkeit ist die Neigung alles in absoluten Extremen zu bewerten. Die Borderline-Persönlichkeit muss entweder ganz perfekt sein, oder sieht sich als völliger Versager. Sie ist nicht gewillt, mit den Karten zu spielen, die an sie ausgeteilt wurden. Wenn sie nicht sicher ist, dass sie gewinnen kann, spielt sie nicht aus, was sie auf der Hand hat. Die Situation bessert sich, wenn sie lernt, ihre Karten zu akzeptieren, und erkennt, dass sie immer noch gewinnen kann, wenn sie geschickt spielt."
Was die Borderline-Persönlichkeit letztlich lernen muss, ist Selbstverantwortung. "Darin unterscheidet sich die Borderline-Persönlichkeit in nichts von jeder anderen Behinderung. Ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, löst Mitgefühl aus, aber dennoch ist er verantwortlich dafür, eine Rollstuhlrampe zu finden, wenn er Ausflüge unternehmen möchte, und seinen Rollstuhl in einem guten Zustand zu halten, sodass er stets einsatzbereit ist." Wie sagte doch Leo Tolstoi so treffend: "Wahres Leben wird gelebt, wenn kleine Änderungen eintreten." Besonders eindrücklich illustrieren das die verschiedenen Fallgeschichten in diesem informativen Buch.
Jerold J. Kreisman und Hal Straus
Ich hasse dich - verlass mich nicht
Die schwarzweisse Welt der Borderline Persönlichkeit
Kösel Verlag, München 2012.
Im Vorwort lese ich, dass es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung noch immer um eine Krankheit handelt, die die Allgemeinheit verwirrt und viele Fachleute in Schrecken versetzt. Kein Wunder, denn: "In gewisser Weise kämpfen wir alle mit demselben Problemen wie die Borderline-Persönlichkeit - die Bedrohung durch Trennung, die Angst vor Zurückweisung, die Verwirrung der Identität, Gefühle von Leere und Langeweile." Stimmt, doch was macht denn jetzt die Borderline-Persönlichkeit aus? Das Ausmass, die Intensität. "Der Unterschied besteht jedoch darin, dass nicht alle Menschen so sehr von dem Syndrom kontrolliert werden, dass es ihr Leben stört oder beherrscht."
Schaut man sich die schematische Darstellung "der Position der Borderline-Persönlichkeit in Bezug auf andere psychische Störungen" auf Seite 45 an, wird einem schnell klar, dass man auch heute noch von einer einigermassen klaren Definition, worum es sich bei Borderline handeln könnte, weit entfernt ist, denn da gibt es (wie bei allen seelischen Störungen) unzählige Überlappungen mit Sucht, Depression, Aufmerksamkeitsdefiziten, Narzissmus, Panikattacken etc. etc.
Die Borderline-Persönlichkeit erlebt die Welt als schwarzweiss. "Der Betroffene ist emotional gesehen ein Kind und kann menschliche Widersprüche und Mehrdeutigkeit nicht tolerieren." In der Borderline-Welt gibt es also keine Abstufungen, keine Grauzone, keine Nuancen und Schattierungen, so die Autoren. Doch kann das wirklich sein? Obwohl als Grundmuster durchaus plausibel, scheint dies bei genauerer Betrachtung etwas arg verkürzt, denn: "Obwohl es der Borderline-Persönlichkeit äusserst schwerfällt, ihr Privatleben zu bewältigen, kann sie im Beruf produktiv sein - besonders dann, wenn die Arbeit gut strukturiert, klar definiert und unterstützend ist." Es ist nicht einzusehen, weshalb ein gut strukturiertes, klar definiertes und unterstützendes Privatleben nicht ebenfalls positive Resultate zeigen könnte.
Treffend halten die Autoren fest: "Das grösste Hindernis auf dem Weg zur Veränderung für die Borderline-Persönlichkeit ist die Neigung alles in absoluten Extremen zu bewerten. Die Borderline-Persönlichkeit muss entweder ganz perfekt sein, oder sieht sich als völliger Versager. Sie ist nicht gewillt, mit den Karten zu spielen, die an sie ausgeteilt wurden. Wenn sie nicht sicher ist, dass sie gewinnen kann, spielt sie nicht aus, was sie auf der Hand hat. Die Situation bessert sich, wenn sie lernt, ihre Karten zu akzeptieren, und erkennt, dass sie immer noch gewinnen kann, wenn sie geschickt spielt."
Was die Borderline-Persönlichkeit letztlich lernen muss, ist Selbstverantwortung. "Darin unterscheidet sich die Borderline-Persönlichkeit in nichts von jeder anderen Behinderung. Ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, löst Mitgefühl aus, aber dennoch ist er verantwortlich dafür, eine Rollstuhlrampe zu finden, wenn er Ausflüge unternehmen möchte, und seinen Rollstuhl in einem guten Zustand zu halten, sodass er stets einsatzbereit ist." Wie sagte doch Leo Tolstoi so treffend: "Wahres Leben wird gelebt, wenn kleine Änderungen eintreten." Besonders eindrücklich illustrieren das die verschiedenen Fallgeschichten in diesem informativen Buch.
Jerold J. Kreisman und Hal Straus
Ich hasse dich - verlass mich nicht
Die schwarzweisse Welt der Borderline Persönlichkeit
Kösel Verlag, München 2012.
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