Wir wollen uns glücklich fühlen. Rients R. Ritskes hält dieses Bestreben für dem Menschen angeboren. "Das in Menschen inhärente Streben nach Glück ist der Ausgangspunkt für meine Betrachtungen des Zen, des Buddhismus und auch des Existenzialismus." Und: "Wir haben unser Glück mehr in der Hand, wenn wir gut erfühlen, was wir wollen und auch danach leben." Klingt einleuchtend, setzt allerdings voraus, dass es sowas wie Willensfreiheit gibt, von der wir jedoch wissen (können), dass sie eine Illusion ist. Doch eine sehr hartnäckige, weshalb denn auch der Ansatz von Rients R. Ritskes von praktischem Wert ist.
Doch kann man wirklich fühlen lernen, was man fühlen will? Meine Gefühle und Emotionen kommen und gehen wie es ihnen passt, offenbar aus dem Nichts, wohin sie auch zu entschwinden scheinen. Das Gleiche gilt übrigens für meine Gedanken, auch sie machen, was sie wollen. Ich bin nicht einmal sicher, dass ich es bin, der denkt; mein Eindruck ist eher, dass etwas in mir denkt.
Lerne zu fühlen, was du fühlen willst ist kein theoretisches, sondern ein praktisches Buch, das auf der Grundlage von des Autors Erfahrung beruht. "Strebe nach dem Glück anderer", empfiehlt er und plädiert für "eine offene, unbefangene Geisteshaltung, in der wir kontinuierlich lernen, was sich in unserem Leben von Moment zu Moment ergibt. Zen ist ein durchgehendes Training im Nicht-Zu-Viel-Wollen und dem Hüten davor, uns mit unseren Wünschen zu identifizieren." Man nennt das auch den Anfänger-Geist.
Unter Emotionen versteht Rients R. Ritskes Energien, die uns in Bewegung bringen und das meint: sie steuern unser Verhalten. "Ungeachtet dessen, ob es um positive oder negative Emotionen geht, sind alle Emotionen Manifestationen bewusster oder unbewusster Ziele." Und da es arg viele davon gibt, die alle ganz Unterschiedliches wollen, gilt es zu lernen, nicht zu viel zu wollen. Das ist das Ziel, das wir so bewusst wie möglich verfolgen sollten.
Drei Formen des Fühlens werden unterschieden: Das Sich-Gut-Fühlen, das Verlangen sowie die Abneigung. Wieso der Autor diese von den Emotionen unterscheidet, hat sich mir nicht erschlossen, was auch daran liegt, dass er die beiden Begriffe, die sich überlappen können, auch immer wieder zusammen verwendet, wenn er etwa fragt: "Auf welchem Fundament stehen alle Gefühle und Emotionen, die wir tagtäglich erfahren?"
Zentral ist, dass wir uns nicht mit unseren Emotionen identifizieren, sondern sie ganz einfach wahrnehmen, ihnen mit Achtsamkeit begegnen. Es gilt zu lernen, "bei unserem Gefühl innezuhalten. bevor es sich in dysfunktional geäusserte Emotionen transformiert." Das meint nichts anderes als zwischen dem, was wir fühlen, und unserem darauf gründenden Handeln, eine Pause einzulegen ist, in der wir achtsam zur Kenntnis nehmen, was in uns vorgeht.
Lerne zu fühlen, was du fühlen willst ist ein grösstenteils hilfreiches Buch, an dem mich jedoch stört, dass er häufig von "unverarbeiteten Erfahrungen" spricht, eine Ausdrucksweise, die man häufig in der Psychologie findet und die schwammiger kaum sein könnte. Wie, um Himmels Willen, verarbeitet man bloss Erfahrungen? Mit Hobel, Leim und Schere oder vielleicht mit Ursachenforschung, die meines Erachtens im seelischen Bereich irrelevanter nicht sein könnte, denn der Grund, weshalb jemand etwas tut, kann genauso gut Anlass dafür sein, dies nicht zu tun.
Überhaupt ist das Buch reichhaltiger an Rients R. Ritskes persönlicher Psychologie, die so nachvollziehbar ist wie die der meisten, als an Ausführungen über Zen. Zudem fand ich seine Überlegungen zum Buddhismus nicht immer überzeugend. "Wenn Buddha sagt: Leiden entsteht aus Begierde, dann würde ich diese Begierde primär als Manifestation von Neid deuten." Das finde ich viel zu kurz gedacht, vielmehr kann Begierde jede Art von Verlangen inklusive Wünschen und Hoffen sein.
Rients E. Ritskes
Lerne zu fühlen, was du fühlen willst
Zenvoll mit Emotionen umgehen
Origo Verlag, Bern 2024
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