Sprache ist, wie alles andere auch, dem stetigen Wandel ausgesetzt: In der heutigen Zeit sind es vor allem Anglizismen, ohne die das Deutsche offenbar nicht mehr auskommt. Der Buchhalter heisst jetzt Controller, der Chef CEO und die Personalchefin Head of Human Resources. Diese Begriffe wörtlich ins Deutsche zu übersetzen ist keine gute Idee; das gilt auch für Gaslight-Effekt, den man womöglich nicht sofort versteht, doch Gaslicht-Effekt eben noch weniger. Was also ist der Gaslight-Effekt?
Am besten illustriert man das an einer Geschichte. Und ganz besonders eignet sich dazu die von John Oliver, einem englischen Moderator, der im amerikanischen Fernsehen seine eigene Show hat, in die er den früheren amerikanischen Präsidentendarsteller (den Golfer aus Florida) nie einladen würde, da er diesen für einen ausgemachten Trottel hält, was den jedoch nicht davon abhält, öffentlich zu behaupten (mehrmals), Oliver habe ihn in seine Sendung eingeladen (mehrmals), was er jedoch abgelehnt habe. Oliver wusste, dass der Florida-Golfer log – und war trotzdem verunsichert: "Ich habe sogar nachgeforscht, um sicherzugehen, dass niemand ihn versehentlich eingeladen hatte. Hatte aber natürlich niemand."
Beim Gaslighting geht es also darum, jemanden derart zu verunsichern, dass er seiner eigenen Wahrnehmung nicht traut. Gemäss der Psychoanalytikerin Robin Stern geschieht eine solche Verunsicherung schrittweise. Zudem unterscheidet sie drei Typen des Gaslighters. "Der Glamour Typ erschafft eine Welt nur für sie; Der Good-Guy-Gaslighter: Was stimmt bloss nicht?; Der 'Tyrannisator': Zuständig für Schikanen, Schuldgefühl und Liebesentzug."
Wer jetzt denkt, wer fällt schon auf solche Deppen rein?, sollte genauer hinschauen, denn Beziehungen, alle Beziehungen, sind viel häufiger von vielfältigen Abhängigkeiten geprägt, als uns lieb ist. Gaslighting bedeutet, dass eine solche Abhängigkeit lähmend ist. Die Lösung liegt auf der Hand: Man muss sich daraus befreien. Doch wie so vieles ist das leichter gesagt als getan. Und Robin Stern erklärt, weshalb das so ist.
Da ist zum Beispiel die Empathiefalle. Empathie ist ja an sich positiv, ja wünschenswert, doch eben nicht immer. Etwa dann, wenn sie nur einseitig ist. "Sie wollte seinen Standpunkt verstehen, er aber nicht ihren. Wenn sie sich stritten, liess sie seinen Argumenten viel Raum, er aber ging nie auf ihre ein." Wir kommt man da raus? Robin Stern rät dazu, die eigenen Gedanken und Gefühle zu klären, sich an einem idealen Berater zu orientieren und mit jemandem zu sprechen, dem man vertraut. Ziel dabei ist, sich darauf zu besinnen, wer man ist und was man im Leben will.
Problematisch ist auch die Erklärungsfalle. "Wenn Sie in die Erklärungsfalle tappen, versuchen Sie möglicherweise, sein Verhalten zu entschuldigen. Sie sind so erpicht auf seine Anerkennung und sehen ihn in einem solch verklärten Licht, dass Sie sein Verhalten ignorieren und sich auf seine Aussage konzentrieren." Auch hier gilt: Bei sich bleiben. Dies meint: Statt sich um die Anerkennung duch den andern zu bemühen, sich diese selber geben.
Der Gaslight-Effekt ist reich an individuellen Fallgeschichten. Dazu kommen kommen viele Checklisten sowie zahlreiche Anregungen, die, auch wenn sie häufig von einer schwer zu übertreffenden Simplizität sind – "Ich sehe die Dinge anders."; "Das ist deine Wahrnehmung, meine ist anders." – , eben doch auch immer mal wieder hilfreich sein können.
Dr. Robin Stern
Der Gaslight-Effekt
Wie Sie versteckte emotionale Manipulationen
erkennen und abwenden
Komplett-Media, München/Grünwald 2017
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