Sonntag, 13. April 2025

Zehn Tage Schweigen

Die Beziehung von Adam und Evelyn war einst besser, viel besser. Und das soll sie auch wieder werden. Evelyn wird aktiv und meldet Adam zu einem Vipassana-Retreat an, wo er zehn Tage lang meditieren soll. Er willigt ein, da er hofft, dass anschliessend ihre Beziehung wieder so sein wird, wie sie es eins gewesen ist.

Engländer sind bekannt für ihren oft ironischen Umgang mit Allem und Jedem, und Adam Fletcher trägt ganz besonders dick auf. Zu dick, für meinen Geschmack, und das ermüdet bei einem Buch von rund 250 Seiten. Andererseits ist ein Vipassana-Retreat mit Ironie anzugehen eine ungewöhnliche und durchaus  hilfreiche Idee, denn bekanntlich führt zu viel Ernsthaftigkeit in aller Regel zu Überheblichkeit. Und da diese leicht eintreten kann, wenn man sich auf die Suche nach der Erleuchtung begibt, wirkt Ironie auch als nützliches Korrektiv.

Bei der Meditation geht es darum, im Hier und Jetzt zu sein. Die Methode, die Adam anzuwenden hat, ist das Ein- und Ausatmen. Da unser Hirn davon nichts wissen will (es rennt dauernd davon, in die Vergangenheit, die Zukunft, nach links und rechts, von keiner Geografie begrenzt), mag das einfach klingen. "Was natürlich nicht dasselbe ist wie leicht."

So recht eigentlich möchte Adam nicht in diesem Retreat sein, "in dieser moralisch selbstgerechten Umgebung." Er beschreibt nicht nur, wohin seine Gedanken wandern, sondern räumtt auch dem, was er mag, und was er nicht mag, viel Platz ein. "Es muss jetzt eine Stunde sein, oder? War das der Gong? War nicht der Gong. Komisch, dauert schon so lange. Ja, es wird definitiv Zeit ...". Keine Frage, man kann es ihm nachfühlen, doch andererseits ist es aber eben auch so, dass das Aufschreiben/Festhalten der Gedanken, das genaue Gegenteil dessen ist, worauf es bei der Meditation ankommt.

Das Problem sei sein unruhiger Geist, lernt er, obwohl er das ganz anders sieht und befindet: "Der menschliche Geist ist eine sinnstiftende Maschine." Kein Wunder, will er davon nicht lassen. "Wenn du zwölf Stunden am Tag bloss sitzt und dich auf den Atem konzentrierst, hat dieses Sinnstiftungsmaschine nichts zu tun." Mit anderen Worten: Die vertraute Welt gerät aus den Fugen, das will man nicht und so wehrt man sich.

Parallel zu seinen Meditationsanstrengungen berichtet Adam von Evelyns Bemühungen, schwanger zu werden, die auch nach einem Jahr zu keinem positiven Resultat geführt haben, trotz der Anstrengungen der beiden. Am Vormittag des vierten Meditationstages kann er dann nur noch an Sex denken.

So sehr er auch mit dem Meditieren hadert (einmal versucht er sogar, aus dem Retreat abzuhauen), er schafft die zehn Tage ("eine echte mentale Prüfung"), und ist zu Recht "wahnsinnig stolz" auf sich. "Es war ein Fehler von Evelyn gewesen, mich hierherzuschicken, auch wenn sie die richtigen Gründe dafür gehabt hatte. Aber man kann auch durch falsche Entscheidungen zu den richtigen Antworten gelangen." Es sind solch wahre Sätze, die mich Bücher lesen lassen.

Adam Fletcher ist ein begabter Geschichtenerzähler mit einem Hang zum Originellen, bei dem allerdings das Anregende und Lehrreiche, Sensible und Gescheite manchmal Gefahr läuft unterzugehen. Zum Glück geschieht das dann doch nicht.

Adan Fletcher
In der Ruhe liegt der Wahnsinn
Wie ich in einem 10-tägigen Schweige-Retreat meinen Verstand verlor, aber mein Glück und alles andere fand.
C.H. Beck, München 2025

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