Auf der Avenue de la Gare in Annemasse geht mir unvermittelt Alain Delon durch den Kopf. Keine Ahnung weshalb, nach Gründen suche ich nicht; mir genügt, zu konstatieren, was geschieht. Zwei Tage später lese ich, er sei im Alter von 88 Jahren gestorben.
Mir ist Ähnliches auch schon passiert, doch Nein, ich habe kein spezielles Sensorium für bevorstehende Todesfälle, ganz im Gegenteil: So habe ich schon einigen Kotzbrocken den Tod gewünscht (und tue es immer mal wieder), ohne dass dieser dann auch eingetreten wäre.
Nichts empfinde ich als eigenartiger als was mir so durch den Kopf geht. Es ist selten, dass ich darauf achte; meistens merke ich nichts davon, obwohl mein Hirn ständig aktiv ist.
Nicht nur mein Hirn, auch mein Gedächtnis ist selbstständig unterwegs. Es tut, was es will. Was ich nicht vergessen möchte, vergesse ich zumeist; was mir hingegen vollkommen unwichtig scheint, geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Doch natürlich ist es komplizierter. Das sage ich immer, wenn es mir nicht wirklich erklärlich ist.
Ich lese gerade eine Cioran-Biografie, von der mir hauptsächlich bleibt, was die meisten wohl als Nebensächlichkeiten bezeichnen würden. Etwa, dass sein Alptraum eine Moschee in jedem Quartier gewesen sei. Oder, dass zu seinen Idolen Shakespeare, Bach, Beethoven, Dostoevskij und Nietzsche gehörten. Oder, dass er die Soziologie verachtete und auch von der Philosophie wenig hielt, da sie nichts anderes als Fragen stelle und ihre Antworten immer zweifelhaft seien.
Im Internet stosse ich auf eine 96Jährige, die unter anderem sagt, alles sei nichts als Sternenstaub, der Mensch genauso wie der Baum und der Komposthaufen. Nur die Form sei verschieden. Eine befreiende Einsicht.
Sich mit dem zu befassen, was einen die Schule, die Gesellschaft und die Massenmedien lehren, erfüllt mich zunehmend mit Verachtung und Abscheu. Sich mit dem zu befassen, was gerade ist (etwa dem Wunder, dass ich atmen, sehen und fühlen kann), erfüllt mich hingegen mit Staunen und Dankbarkeit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen