Felicitas von Aretin porträtiert in diesem Werk 21 Ordensfrauen. Katholische, evangelische, buddhistische und orthodoxe. Bei der Vorbereitung ihrer Reise durch deutsche und österreichische Klöster lernte sie, "dass im richtigen Moment stets das Richtige passiert, wenn die innere Bereitschaft stimmt." Damit diese stimmen konnte, musste sie zuallererst loslassen von ihren Prägungen. "Mit Ordensfrauen hatte ich während meiner Gymnasialzeit hinlänglich schlechte Erfahrungen gemacht und eine Mischung aus Intoleranz und Ignoranz erfahren. Gläubigkeit vermittelte sich für mich daraus ebenso wenig, wie sie mich überzeugte."
Die Autorin leitet das Münchner Büro der Agentur für History Marketing hpunkt kommunikation. Kein Wunder also, findet man viel Geschichtliches in diesem Buch – etwas arg viel für meinen Geschmack, denn ich habe keinen Bezug dazu und finde nicht wirklich relevant, wer was wo gesagt hat; für mich sind das zumeist recht willkürliche Zuschreibungen und überdies unwesentlich, jedenfalls für mein Weltbild.
Starke Schwestern ist gut geschriebener, solider Journalismus, der mich immer mal wieder Verblüffendes lehrt. So war mir überhaupt nicht geläufig, dass viele Benediktinerinnen halbtags "als Juristin, Sozialarbeiterin, EDV-Spezialistin, Lehrerin oder Ärztin und Krankenschwester tätig" sind und bei persönlichen Krisen einen Therapeuten oder eine Therapeutin aufsuchen. Auch dass es im Konvent nicht darum geht, "befreundet zu sein, sondern eine verbindliche Lebensgemeinschaft aller Generationen und Charaktere zu leben", wie eine Äbtissin erläutert, war mir neu – und einleuchtend.
Ganz unterschiedlich sind die Einsichten, die Felicitas von Aretin vermittelt. So berichtet sie etwa über den Generationenkonflikt in manchen Konventen wie auch darüber, dass Ordensschwestern von Klerikern missbraucht wurden und werden. Aber auch zur Architektur äussert sie sich: "Wer die langen, geräumigen Flure entlang geht, dessen Seele und Geist kommen zur Ruhe und der erlebt Geborgenheit", notiert sie über ein Karmelitinnen-Kloster. Meine eigene Erfahrung in einem ungarischen Karmelitinnen-Kloster, das heute als Hotel und Begegnungsstätte fungiert, war genauso.
So vielfältig und aufschlussreich dieses Werk auch ist, die spirituellen Anregungen, die ich mir erhoffte, kommen zu kurz. Wobei: es gibt sie durchaus. Etwa: "Gott entdecke ich in jedem Sonnenstrahl, in jedem Wassertropfen, wie in einem inneren Gebet." Oder: "Stundenlange Meditationen hebeln unser Denken völlig aus." Doch in der Hauptsache ist Starke Schwestern eine informative Bestandesaufnahme vom Leben in Frauenklöstern in Deutschland und Österreich.
Ganz unterschiedliche Frauen entscheiden sich für ein Leben im Kloster. Da gibt es die Mutter mit fünf Kindern, die mit Ende fünfzig eintrat, da ist die Fachkrankenschwester, der schon als Kind klar war, dass sie einmal ein geistliches Leben führen würde, da ist die einstige Marxistin, die sich vom Christentum loslöst und sich dem Zen-Buddhismus zuwendet.
Das Klosterleben hat sich vielerorts gewandelt. Heutzutage werden Meditations- und Achtsamkeitskurse angeboten, leben Schwestern in Wohngemeinschaften mit jungen Frauen, arbeiten einige halbtags im Krankenhaus. Starke Schwestern ist auch mit einem überaus nützlichen Glossar, einem Personenverzeichnis, in dem sowohl Katharina von Siena als auch Thich Nhat Hanh zu finden sind, als auch einem anregenden Literaturverzeichnis versehen.
"Nichts scheint dem menschlichen Geist fremder als das Innehalten", so Felicitas von Aretin in ihrem Fazit. Aufgegangen ist ihr bei ihrer Reise von Kloster zu Kloster auch dies: "Regelmässiges Fasten, Beten und Meditieren tragen offenbar ebenso zum seelischen Wohlbefinden bei wie Loslassen und der Verzicht auf materielle Güter, Karriere und Leistung." Ein solcher Weg verlangt beharrliches Üben; nur wenige gehen ihn.
Felicitas von Aretin
Starke Schwestern
Klosterreisen – Inspirationen für ein anderes Leben
Herder, Freiburg Basel Wien 2022
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