90 Prozent deiner Befürchtungen treten gar nicht ein! behauptet der Untertitel. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass dem so ist, doch weshalb soll ich ein Buch über etwas lesen, das man offenbar auch in einem Satz sagen kann? Zum Einen, weil der Mensch es gerne ausführlich hat, zum Andern, weil wir Botschaften und Anregungen besser anhand von Geschichten als von programmatischen Aussagen begreifen, denn Geschichten erzeugen Bilder im Kopf und transportieren Emotionen. Understanding is a feeling hat mich meine Auseinandersetzung mit Fotografie gelehrt.
Das Vorwort wird mit diesen überaus einfachen und deswegen hilfreichen Sätzen eingeleitet. Rangiere die Dinge aus, die du nicht brauchst. Lebe ein unendlich einfaches Leben, frei von unnötigen Ängsten und Sorgen, ohne dich von den Werten anderer umstimmen zu lassen. Es sind dies Sätze, die man in jedem beliebigen Selbsthilfebuch finden kann; was hat das also mit Zen zu tun?
Beim Zen, wie ich ihn verstehe, geht es um eine Grundhaltung. Zu dieser gehört die Dankbarkeit. Und diese gilt es zu üben. "Ich beginne jeden Morgen, indem ich meine Hände zusammenlege und sage: 'Ich bin dankbar dafür, dass ich einen weiteren Tag bei guter Gesundheit begrüssen kann.' Und jeden Abend lege ich erneut die Hände zusammen und spreche meine Dankbarkeit aus: 'Ich bin dankbar dafür, dass ich einen weiteren Tag überstanden habe.'"
Don't Worry ist kein Buch, das man von Anfang bis Ende liest. Sicher, wer will, der kann das natürlich, doch sinnvoller scheint mir, diesen Band von Zeit zu Zeit hervorzuholen, irgendwo aufzuschlagen und das dort Gelesene wirken zu lassen. Je öfter, desto besser, denn die Ratschläge, die der Zen-Mönch Shunmyo Masuno gibt, sollten verinnerlicht werden, um wirksam sein zu können.
So recht eigentlich dreht sich alles um Akzeptanz, also darum, das Leben so zu nehmen wie es nun mal ist. Und das meint unter anderem: Nicht zu vergleichen, denn das, was andere tun, hat nichts mit mir zu tun. "Es gibt keinen Vergleich. Wenn wir versuchen, Dinge zu vergleichen, die sich nicht vergleichen lassen, wird unser Geist von etwas eingenommen, was irrelevant ist, und das ist es, was Angst, Sorgen und Furcht erzeugt."
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer sich mit Relevantem beschäftigt, hat weder Angst, Sorgen noch Furcht. Doch was ist relevant? Sich selber wertzuschätzen. Loszulassen. Sich nicht auf Dinge konzentrieren, auf die man keinen Einfluss hat. Shunmyo Masuno zählt noch viele weitere Beispiele auf, die uns helfen können, gelassen zu werden. Zu den für mich wichtigsten gehört, nichts als selbstverständlich zu betrachten sowie das Leben ohne Hast und Eile anzugehen.
Ekiho Myazaki wurde einhundertsechs Jahre alt. Zu den Ratschlägen, die er hinterlassen hat, gehört auch dieser: "Die Menschen fragen sich, wann der richtige Zeitpunkt zum Sterben ist, und sie denken: 'Wenn ich erleuchtet bin'. Aber das ist falsch. Friedlich und mit Gelassenheit zu leben, das ist Erleuchtung. Es ist nicht schwer, friedlich und mit Gelassenheit zu leben. Wenn es an der Zeit ist zu sterben, ist es das Beste zu sterben. Solange es an der Zeit ist zu leben, ist es am besten, friedlich und mit Gelassenheit zu leben."
Fazit: Eine überaus hilfreiche Anleitung, sich auf das wirkliche Leben einzulassen.
Shunmyo Masuno
Don't Worry
90 Prozent deiner Befürchtungen treten gar nicht ein!
48 Impulse eines Zen-Mönchs für ein gelassenes Leben
Lotos, München 2022
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