Sonntag, 15. November 2020

Xiu Yang

Das Motto von Xiu Yang, dem chinesischen Harmoniekompass, lautet: Kultiviere den Geist, trainiere den Körper und liebe dich selbst. Die Yoga-Lehrerin Donna Farhi erläutert in ihrem Vorwort, "dass unsere Gesundheit und unser Glück in hohem Grad unserer eigenen Kontrolle liegen" und dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen Selbstkultivierung und Selbstfürsorge gibt. Während Selbstfürsorge darin besteht, uns von Zeit zu Zeit einen Gefallen zu tun (zum Beispiel ein heisses Bad nehmen oder einen Wochenendausflug unternehmen), geht es bei der Selbstkultivierung um eine Lebensweise, die sich dadurch auszeichnet, "in uns, mit anderen und mit der Welt ein besseres Gleichgewicht zu finden."

Was mich ganz besonders für Xiu Yang einnimmt, ist die Orientierung an Grundsätzlichem, also der  weltanschauliche Ansatz. "Wie befinden uns in keiner linearen Entwicklung, sondern eher in einem Prozess sich weitender Kreise und Quadrate, bei denen alles mit dem Zentrum verbunden ist."

Es sind einfache Weisheiten, die man in diesem Buch finde. Und eben deshalb auch hilfreich, denn nichts zeichnet unsere moderne Zeit mehr aus, als dass wir in selbst geschaffener Komplexität ersaufen. Klar, das Leben ist komplex und es ist auch schwierig, doch die Informationsflut, die täglich über uns kommt, macht es noch komplexer und noch schwieriger. Zumindest kommt es uns so vor.

Die Autorin Mimi Kuo-Deemer stammt ursprünglich auch Tucson (Arizona), arbeitete 14 Jahre als Yogalehrerin in China und unterrichtet heute Gesundheit und Wohlbefinden in London. Mit "Xiu Yang" legt sie ein Buch vor, das Orientierung bietet, indem es sich an Wesentlichem ausrichtet und dabei unter anderem auch Bezug nimmt auf Lehrer wie Jiddu Krishnamurti und Thich Nhat Hanh, der "lehrt, dass in unserem Bewusstsein gute wie schlechte Samen aufgehen. Wir tragen beides in uns. Geben wir den Samen Wasser, die gesund für uns sind, wie zum Beispiel den Samen der Liebenswürdigkeit, Grosszügigkeit und des Mitgefühls, dann wird mehr von genau diesen keimen und wachsen. Entsprechend können auch die Samen destruktiver Emotionen und Gedanken wachsen und uns einnehmen, wenn wir ihnen Wasser geben. Auf der anderen Seite können die guten Samen ermüden, wenn wir sie vernachlässigen."

Mit "Achtsamkeit: Die Kultivierung adäquater Reaktionen auf konkrete Lebenssituationen" ist ein Kapitel überschrieben, das unter anderem hilfreiche Hinweise auf die Ausrichtung der Achtsamkeitspraxis gibt wie etwa die drei R: Recognise, Release, Return. Achtsamkeit lässt sich überall üben, bei allem, was man tut. Von den Tipps für die Praxis, gefällt mir vor allem diese Faustregel: "Trainieren Sie Ihre Aufmerksamkeit mithilfe von Geduld, Übung und der Bereitschaft, immer wieder von vorn anzufangen."

Bei einem Meditations-Retreat fragte der Lehrer: 'Wonach sehnt sich euer Herz?' Worauf die erste Antwort aus der Gruppe lautete: 'Nach Weite.' Sofort stellten sich in meinem Kopf Bilder ein – von den Weiten der Dakotas, des nördlichen Argentinien und des südlichen Brasilien. Damit verbunden ist ein Gefühl von Leichtigkeit , es ist als ob ich anders atmen würde, freier.  "Wenn das Herz sich weit anfühlt, sind wir inspiriert, beseelt und mit unserem wahren Selbst verbunden. Wir umarmen das Leben und entspannen uns in das Wissen hinein, dass uns ein Platz in der Welt zusteht."

Es gelte, ein weites Herz und einen weiten Geist zu kultivieren, schreibt Mimi Kuo-Deemer. Wie man das praktisch bewerkstelligen kann, dazu gibt dieses Buch vielfältige Anregungen. Es sei wärmstens empfohlen.

Mimi Kuo-Deemer
Xiu Yang
Der chinesische Harmoniekompass
Kultiviere den Geist, trainiere den Körper und liebe dich selbst
O.W. Barth, München 2020

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