Sonntag, 29. Dezember 2024

Vom Staunen

2019 in Kamakura, Japan

Diese Aufnahme wurde von Daichi Koda, einem japanischen Fotografen, dessen Arbeiten ich sehr schätze, gemacht. Ich habe mich noch nie so gesehen und wundere mich speziell über meinen Haarschnitt. Fünf Jahre später geht mir beim Betrachten unter anderem durch den Kopf, dass Daichi die Geschichten von Raymond Carver mochte und seine Frau, als ich auf ihre Frage, was mein Hobby sei, keine Antwort wusste, sagte: Your hobby is thinking.

Immer wieder staune ich, was für Unterschiedliches Fotos auslösen können. Das meiste davon hat nur einen weit entfernten Bezug zur Fotografie. Was mein Hirn da beständig zusammensetzt und wieder auflöst ist mir ein Rätsel. Warum mein Hirn tut, was es tut, interessiert mich heutzutage kaum mehr; dass es mich mit endlosem Staunen erfüllt, immer mal wieder gemischt mit Angst, reicht mir vollkommen.

So recht eigentlich staune ich über alles und jedes, in letzter Zeit jedoch häufig (eine Alterserscheinung?) darüber, wie nahe Trauer und Verzweiflung liegen. Und wie eigenartig es ist, dass je mehr ich weiss, desto weniger ich zu verstehen scheine. Das ist verwirrend und befreiend, denn so sehr unser Denken auch Orientierung bietet, es engt uns auch gehörig ein, macht uns vieles vor, und führt uns oft in die Irre.

Staunen habe ich die meiste Zeit meines Lebens mit Schönheit verbunden, mittlerweile staune ich jedoch auch zunehmend über die menschlichen Abgründe. Und so sehr mich etwa Dummheit in Rage bringen kann, es tut mir entschieden besser, mich darüber zu wundern, wie  beständig und verbreitet sie ist.

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