"Eine Anleitung für ein Leben in der Natur", so der Untertitel dieses sehr schön gestalteten Buches von Markus Torgeby, mit mich sehr ansprechenden Fotografien von Frida Torgeby. Doch wieso interessiert mich so ein Werk, da es mich selber überhaupt nicht danach verlangt, in der Natur zu leben? Neugier auf des Autors Motivation und auch darauf, was ihn dieses Leben lehrt. "So lasst uns also unser Leben begreifend verbringen", habe ich als Jugendlicher in Henry David Thoreaus "Walden" gelesen. Es gilt für mich nach wie vor.
Draussen scheint Markus Torgeby alles einfach. "Mich plagten keine Zweifel, ich fühlte mich nicht komisch. Wenn ich im Meer schwamm und im Wind segelte, wurde mir klar, dass es etwas gab, das ich nie kontrollieren konnte: Ich konnte mich nur unterordnen, Die Natur war eine Schule, die ich mochte, mit anderen Fächern als Schwedisch, Mathematik und Religion."
Es sind solche Sätze, die mich innehalten lassen. Der Zweck der Schule ist es, uns zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft werden zu lassen. Wir werden nicht gefragt, ob uns das passt oder entspricht oder ob wir uns wohlfühlen; von uns wird erwartet, dass wir uns ins System einfügen, dass wir gehorchen.
Markus Torgeby liegt das nicht. Er verlässt die Insel, wo er aufgewachsen ist, geht weg von der Krankheit seiner Mutter, seinen spirituellen Zweifeln und dem ständigen Genörgel seiner Oma. Neunhundert Kilometer im Norden von Göteborg beginnt er eine Ausbildung zum Pfleger und entschliesst sich unter einem Baumwolltuch im Wald zu wohnen.
"Mir gefiel die Idee, vollständig auf mich allein gestellt zu sein, wenn viel auf dem Spiel stand und alles schief gehen konnte." Er lebt ohne Radio und Fernsehen, versucht, sich zuzulassen und merkt, dass es okay ist, wenn er nicht alles kontrollieren kann und dass es in seinem Kopf immer "einen Raum voller Angst, Furcht und Kleingeistigkeit" geben würde. "Das Nichtstun sorgte dafür, dass mein Kopf endlich auf meinem Körper landete."
Unter freiem Himmel ist ein Lehrstück in Sachen Akzeptanz. Seine Angst vor der Dunkelheit lässt sich nicht vertreiben, doch sich nicht gegen sie zu wehren, macht sie erträglich. Er lebt sehr körperlich: Läuft durch die Sümpfe, schwimmt, klettert auf Bäume; im Winter ist er auf breiten Tourenskiern unterwegs, spaltet Holz, holt Wasser. "Ich machte alles in gemächlichem Tempo, hatte viel Zeit zum Nachdenken." Ich fühlte mich an das buddhistische Slow down time erinnert.
Wir streben nach Glück, anstatt nach Sinn und das sei das Problem, so Markus Torgeby. Doch was hindert uns, dieses anzugehen? Und überhaupt: Was genau ist es? Für ihn sei es ein Zuviel von allem gewesen, schreibt er. Zu viel Unruhe, zu viele Eindrücke. "Die Lösung bestand darin, nahezu sämtliches Input aktiv zu beseitigen. Das war nicht einfach, und es hat einige Zeit gedauert, aber für manche Probleme gibt es einfach keine schnellen Lösungen."
Unter freiem Himmel ist auch praktische Anleitung und informiert über die richtige Fussbekleidung, Schlafsack, Messer, Wolle, Axt, essbare Pflanzen und anderes mehr. Markus und Frida Torgeby leben heute mit ihren drei Töchtern in zwei Welten, auf einer umgebauten Alm in Jämtland, wo sie Strom haben, aber mit Holz heizen, und einem kleinen Haus in Öckerö. "Das Leben ist keine gerade Autobahn, es ist ein Waldpfad mit Wurzeln und Steinen, bergauf, bergab, durch Sumpfgebiete und über Bäche."
Fazit: Berührend und inspirierend, mit höchst gelungenen Fotos.
Markus Torgeby
Unter freiem Himmel
Eine Anleitung für ein Leben in der Natur
Heyne Hardcore, München 2021
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