Zu
seinen Gewohnheiten gehörte, Unangenehmes so schnell wie möglich
hinter sich zu bringen. Die Idee dahinter – wenn es denn überhaupt
eine Idee war, so war es keine bewusste, von der ihm klar war, dass
sie sein Verhalten leitete, sondern eine nachgereichte – war,
anschliessend das machen zu können, wozu er mehr Lust hatte. Leider
ist es nun aber so, dass, kaum hatte er die eine unangenehme Sache
(meist Problem genannt) hinter sich gebracht, schon die nächste vor
seiner Nase stand. Mit anderen Worten: Er räumte ständig so schnell
wie möglich Probleme aus dem Weg, deren Anzahl sich deswegen jedoch
nicht zu verringern schien.
Wer
sich ändern wollte, musste sich anstrengen, hatte er sein Leben lang
geglaubt. Neues zu wagen, erforderte Mut. Das war zwar nicht falsch,
doch es umschiffte, worum es wirklich ging – man musste nicht
ändern, was man
tat (sicher, das war manchmal notwendig – wenn man dem Suff
verfallen war, zum Beispiel), sondern wie man
es tat. Dass das Leben schwierig war, war nicht das Problem, sondern
dass man nicht akzeptieren wollte, dass es schwierig war.
Hehre
Worte, doch seine Praxis war anders und bestand wesentlich darin,
darauf zu warten, dass alles sich ganz plötzlich perfekt anfühlte.
Das war sein Muster und er war unfähig, es zu brechen. Und dann, er
merkte es erst im Nachhinein, ging er auf einmal anders durch den Tag
als zuvor, haderte er nicht mehr mit seinen ständig misslingenden
Versuchen, ein neues Leben zu beginnen. Es war ihm, als ob er endlich
begriffen hätte, dass er ohne sein Scheitern nicht aufgegeben hätte
und dass Aufgeben (surrender,
wie es im Englischen zutreffend heisst) die Voraussetzung für die
andere Art von Leben war, die ihm vorschwebte. Scheitern war
notwendig, war Vorbereitung für das, was ultimativ zählt – die
Hingabe ans Leben. Schon etwas esoterisch, dachte er so bei sich,
doch was zählte waren nicht die Worte, sondern die Erfahrung zu
machen.
Alles
ist gut, alles. Für alle die ist es gut, die da wissen, dass alles
gut ist. Wenn sie wüssten, dass sie es gut haben, dann hätten sie
es gut, aber so lange sie das nicht wissen, so lange werden sie es
auch nicht haben. Das ist der ganze Gedanke, der ganze Sinn, einen
weiteren gibt es überhaupt nicht.
Fjodor
M. Dostojewski: Die Dämonen
Hans
Durrer
Harrys
Welt oder Die Sehnsucht nach Sinn
Ansichten
und Einsichten
neobooks, München 2019
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