Mittwoch, 28. Februar 2018

Über Alkoholismus und Borderline

„Mein Ex in San Francisco war Alkoholiker. Deshalb habe ich ihn verlassen. Aber er hatte auch ganz viele andere Probleme. Doch Hilfe nahm er keine an. Mir tat weh, viel zu weh, ihn leiden zu sehen. Manchmal fühle ich mich schuldig, dass ich ihn verlassen habe. Gai hat gemeint, ich solle mal mit dir reden.“

In diesem Moment tauchte Gai auf, küsste Hugo auf die Wange und fragte: „Cappuccino, wie immer? Du auch, Joy?“
„Gerne“, antworteten beide unisono.

Hugo und Joy setzten sich an den Küchentisch; Gai machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. „Was du mir da vor ein paar Tagen über Sucht und Borderline erzählt hast“, wandte sich Gai an Hugo, „hat mich an Joy denken lassen. Möglicherweise war ihr Ex nämlich nicht nur ein Alki, sondern auch ein Borderliner. Ist das okay für dich, mit Joy darüber zu reden?“
„Sicher.“ Hugo wandte sich an Joy. „Erzähl doch mal wie er so war, dein Ex.“

„Eigentlich ein Supertyp. Hat Literatur studiert, ein paar Jahre unterrichtet, dann ertrug er die anderen Lehrer nicht mehr und begann als Sänger und Gitarrist in kleinen Klubs aufzutreten. Er war recht erfolgreich, konnte gut von seinen Auftritten leben und verdingte sich nebenher als Studiomusiker. Das Problem waren seine Stimmungsschwankungen. Und die waren heftig. Nie wusstest du, woran du mit ihm warst. Und er soff. Nicht immer, doch wenn, dann zünftig. Er hatte ganz einfach kein Mass, in nichts.“

„Und wie war er, als du ihn kennenlerntest?“
„Präsenter, scharfsinniger und feinfühliger als andere, aufmerksam, rücksichtsvoll und grosszügig. Und dann der Sex, super intensiv. Der Traummann. Und dann kippte er plötzlich, war ganz das Gegenteil, angespannt, rechthaberisch, aggressiv. Und dann wieder, irgendwie völlig übergangslos, der aufmerksame und rücksichtsvolle alte Freddy. Schwarz oder Weiss, dazwischen war nichts. Mit der Zeit nahmen die destruktiven Phasen zu. Zum Schluss gab es praktisch nur noch destruktive Phasen. Und an allem war ich schuld. Oder andere, oder die Situation, er selber nie.“

„Und dann hast du ihn verlassen?“
„Ja, vor drei Monaten. Doch ich kriege ihn einfach nicht aus mir raus.“

Aus: Hans Durrer: Herolds Rache. Fehnland Verlag 2018

Donnerstag, 22. Februar 2018

Meine Suchtberatung

Meine Suchtberatung ist von zwei Grundüberzeugungen geprägt. Dass der Mensch des Menschen Medizin sei und, wie es Bad Herrenalb Mitbegründer Walther Lechler formuliert hat, „es weniger um Behandeln geht, sondern eine Ausbildung für das Leben erfolgen muss“.

Abgesehen vom 12-Schritte-Programm, hat mir vor allem die Auseinandersetzung mit philosophischen Fragen geholfen. Treffend hat es Peg O'Connor ausgedrückt: „Philosophy has always been about the pursuit of knowledge, but one that included the higher aim of living a good and just life. This pursuit has involved examining the nature of just about everything.“

Wir orientieren uns an Ursache und Wirkung. Und so sehr sich unsere Gewohnheit, in diesen Kategorien zu denken, auch bewährt hat (man denke etwa an die Statik, ohne die es weder Häuser noch Brücken geben würde), im Bereich der Gefühle und des Unbewussten bringt uns das Unterscheiden von Auslöser und Symptom, ja, das Unter- und Aufteilen generell, unsere wohl wichtigste Lebensstütze, oft nicht weiter. Willkürlicher als die gängigen Zuschreibungen Neurose, Depression oder Borderline geht es kaum, denn da gibt es mehr Verbindendes als Trennendes.

Ich habe das Rad nicht neu erfunden (und hätte es, wenn ich es recht bedenke, wohl nie erfunden), tue, was andere auch tun. Ich höre zu, stelle Fragen, bestärke, was bestärkt gehört, versuche dem Destruktiven den Boden zu entziehen. Und ich erzähle auch von mir, davon, wie ich selber mit Problemen, Abhängigkeiten, ja, dem Leben, klarzukommen versuche. Von Thema zu Thema hüpfend, dabei trachtend, den Faden nicht zu verlieren und immer wieder an den Ausgangspunkt, die Lebensangst, zurückkehrend.

Das Themenspektrum geht von der Fotografie zu Thailand, von Woody Allen zur Flugangst. Weiss ich, dass jemand unter Flugangst leidet, kann ich sicher sein, dass ich seine ganze Aufmerksamkeit habe, wenn ich von meiner eigenen erzähle und davon berichte, wie ich mit ihr umgehe. Auf einem Flug von Thailand in die Schweiz, heftige Turbulenzen über Afghanistan, der Captain meldete sich: What we are experiencing now are so called mountain waves. Ich stellte mir die Wellen vor, ging mit ihnen mit, das half etwas. Mit den Worten von Jon Kabat-Zinn: You can't stop the waves, but you can learn to surf.

Hans Durrer
Wie geht das eigentlich, das Leben?
Anregungen zur Selbst- und Welterkundung
neobooks, München 2017

Donnerstag, 15. Februar 2018

'Please touch' – statues!

I was just reading about one japanese sculptor whose works were being shown in new york. The curators of the american museum were very much confounded, because he insisted on one thing which was never heard of before. He insisted that below each of his statues he wanted a small sign –
there awas no trouble, they said that he could have a sign – but the sign read: 'Please touch' – statues! He said, 'I won't allow my work if these signs are not allowed in the museum. Then there is no need for my exhibition. Unless somebody touches my statues, how is he going to feel?'

The curators could not believe what this foolish artist was wanting, because in american museums you have the sign, 'Don't touch! Keep aloof!'

And that is not only in the museum – in life also, touching has disappeared. So this is the problem that arises  – the person has not been touched in childhood, so he does not know how to feel, because touch brings the feel.

Bhagwan Shree Rajneesh
Blessed are the Ignorant
A Darshan Diary