Cheryl Strayed, geboren 1968, landete
mit ihrem autobiografischen Buch "Wild - Der grosse Trip"
einen riesigen Erfolg, der von und mit Reese Witherspoon verfilmt
wurde. Mit Der grosse Trip zu dir selbst liegt nun eine
Sammlung ihrer Ratgeberkolumnen vor, in denen sie Fragen beantwortet
"zu Liebe und Sex, zu Geld und Verlust, zu Eltern und
Kindererziehung, darüber, wie man schlechte Gewohnheiten ablegt,
Traumata und Suchtverhalten überwindet, sich von einem gebrochenen
Herzen und einer verkorksten Kindheit erholt."
Wie kommt eine zweiundvierzigjährige,
geschiedene, wiederverheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern, die
von sich selber sagt, dass sie keine Ratgeberkolumnen liest, dazu,
eine solche zu schreiben? Nun ja, ein Bekannter und
Schriftstellerkollege hatte sie angefragt. Ja gesagt hatte sie nicht
zuletzt, weil es dabei wie bei der Schriftstellerei auch darum geht,
"von Grund auf auszuloten, was es heisst, ein Mensch zu sein."
Als Online-Ratgeberin sah sie ihre
Aufgabe darin, den Leuten "aus der Sicht von jemandem
beizustehen, der das alles selbst schon mitgemacht hat -
beziehungsweise, in manchen Fällen, immer noch mitmacht." Da
redet und schreibt also keine Besserwisserin oder einschlägig
diplomierte Expertin, sondern eine Frau, die über viel reflektierte
Erfahrung verfügt.
"Jedem meiner Beiträge lag meine
feste Überzeugung zugrunde, dass die Wahrheit zwar manchmal wehtut,
uns aber niemals umbringt. Genau genommen kann nur sie allein uns
Erlösung bringen." Da ich das genauso sehe, habe ich Cheryl
Strayeds Ausführungen mit Sympathie und Interesse gelesen.
Der grosse Trip zu dir selbst ist
weit entfernt von der Art Ratgeber, der einem sagt, was man tun soll,
damit alles auch garantiert gut werden wird. Stattdessen erzählt
Cheryl Strayed Geschichten von sich, erläutert, wie sie selber mit
bedrängenden Fragen umgegangen ist und bietet so die Möglichkeit
zur Identifikation.
"Vertrau auf dich. Das ist Cheryls
goldene Regel. Auf sich vertrauen bedeutet, das zu leben, was man als
richtig erkannt hat." Und wenn man das noch nicht weiss? Dann
muss man darum kämpfen. Mit Mut. "Und 'Wenn dein Mut sich dir
verweigert', wie Emily Dickinson schreibt, 'geh über deinen Mut
hinweg.'"
Einer Scheidungsgeschädigten (ihre
Eltern haben sich scheiden lassen) rät sie, nicht ihren Emotionen
nachzugeben, sondern ihr logisches Denken zu gebrauchen. "Ich
glaube, es wäre hilfreich, wenn du dich im Augenblick ganz stark auf
die rationale Seite stützt.. Nicht, um deine Trauer auszublenden,
sondern um die rechte Perspektive wieder herzustellen."
Einem Alkoholiker empfiehlt sie: "Hör
auf mit dem Alkohol. Im Privaten. In Gesellschaft. Morgens. Mittags.
Nachts. Und am besten für immer." Sie lässt keinen Zweifel
daran, dass dies gelingen kann. Falls man dazu bereit ist, sein Leben
zu ändern.
Cheryl Strayed überzeugt als
Ratgeberin, weil sie aufrichtig und freimütig ist. Und ohne weiteres
zugibt, viele Jahre gebraucht zu haben, um zu erkennen, dass eine
Frage wie 'Was zur Hölle soll der Scheiss?' manchmal "einfach
so stehen bleiben muss, wie ein einsamer Kaktus in der Wüste."
Weil nämlich manche Dinge ganz einfach "durch und durch
schlimm, falsch und unerklärlich sind."
Cheryl Strayed
Der grosse Trip zu dir selbst
Kailash Verlag, München 2016
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