Mittwoch, 30. Juli 2014

Wie Eric Clapton sein Leben änderte

Eric Claptons "Mein Leben" ist ein höchst faszinierendes Buch, weil es, wie jede gute Autobiografie, mit dem eigenen Leben (oder dem, was davon berichtet wird) auch gleichzeitig die Geschichte der Zeit miterzählt wird, wie sie der Protagonist erlebt hat. Eric Claptons Geschichte ist in wesentlichen Teilen auch die Geschichte der Rockmusik. Darüber hinaus ist sie auch die Geschichte seines Alkoholismus. Und davon soll hier die Rede sein.

Im Januar 1982 traf Eric in Hazelden ein, "einer der weltbesten Einrichtungen für Alkoholiker". Die Klinik erinnerte ihn an Fort Knox: "geduckte, finstere Betonkästen wie bei einem Hochsicherheitsgefängnis." Er hat Angst, tut, was von ihm verlangt wird und das schliesst Meetings bei den Anonymen Alkoholikern (AA) mit ein, nicht selten fünf- oder sechsmal die Woche. Doch wie die meisten Alkis hat er nicht das Gefühl einer zu sein: "Ich bin nicht wie diese Leute. Ich gehöre hier nicht hin."

Nach seinem Klinikaufenthalt trinkt er nicht mehr und geht, in der Annahme, Arbeit sei die beste Therapie, "vier Monate nach meiner Rückkehr aus Hazelden mit meiner englischen Band auf Amerika-Tournee. Das widersprach völlig dem Rat der Therapeuten." Es war eine überstürzte Entscheidung und eine frustrierende Erfahrung: " ... stand ich auf der Bühne und dachte nur: 'Das klingt ja grauenhaft'. Dabei war es das Gleiche wie bei meinem Problem mit Sex: Ich hatte seit so langer Zeit nicht mehr nüchtern gespielt und war so daran gewöhnt, alles durch einen Schleier aus Alkohol und Drogen zu hören, dass mir der plötzlich ungedämpfte Sound total fremd vorkam."

Clapton hat einen Rückfall, er säuft wieder. Und geht wieder nach Hazelden. Wie schon beim ersten Mal zählte er "bloss die Tage in der Hoffnung, dass sich in mir etwas ändern würde, ohne dass ich selbst viel dazu beitragen müsste. Aber dann geriet ich gegen Ende meines Aufenthalts plötzlich in Panik, denn ich spürte, dass nichts in mir sich geändert hatte und dass ich völlig schutzlos wieder in die Welt hinausgehen würde. Der Lärm in meinem Kopf war betäubend, alles in mir schrie nach Alkohol. Schockiert musste ich erkennen, dass ich selbst in diesem Behandlungszentrum, in dieser angeblich sicheren Umgebung, ganz ernsthaft in Gefahr war. Das machte mir eine Heidenangst.
In diesem Augenblick gaben meine Beine fast wie von selbst nach, und ich sank auf die Knie. In der Abgeschiedenheit meines Zimmers flehte ich um Hilfe. Ich hatte keinen Begriff davon, mit wem ich da redete, ich wusste nur, dass ich mit meiner Kraft am Ende war und den Kampf verloren gegeben hatte. Dann fiel mir ein, was ich über Kapitulation gehört hatte. Nie hätte ich gedacht, dass ich dazu fähig wäre, weil mein Stolz das einfach nicht zulassen würde, aber jetzt wusste ich, allein würde ich es nicht schaffen, also bat ich um Hilfe, sank auf die Knie und kapitulierte."

Neugierig geworden, wie es weiter gegangen ist?
Eric Clapton: Mein Leben.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2012.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Sucht Roman

Ein Roman über Sucht, geht das? Simon Borowiaks geht nicht, jedenfalls für mich nicht, zu bemüht witzig, zu forciert originell ist mir das alles. Und dabei habe ich doch sein "Alk" so gerne gelesen, finde es ganz wunderbar gelungen.

Vielleicht lag es ja an mir, an meiner Stimmung, vielleicht sollte ich das Buch einfach mal für eine Weile ruhen lassen und dann einen neuen Anfang wagen. Doch es nützte nichts, auch beim zweiten Versuch blieb mir die Lektüre ... siehe oben. Vielleicht sollte ich eine noch etwas längere Pause einlegen, bevor ich einen dritten Anlauf wage.

Wobei, es gibt schon ganz tolle Stellen in diesem Buch und einige davon haben mich laut herauslachen lassen:

"Da klopft es und ein circa vierzehnjähriger Arzt bittet ihn zum Gespräch. Cromwell wundert sich, wie alt er geworden ist ...".

"Es hat was von einer Süchtigen-Tagung: Wer war wo, bekam welche Medis, in welcher Dosierung. Ein kompaktes kleines Biotop, inklusive Legendenbildungen und Erzählungen aus dem Krieg ...".

"In der Psychiatrie herrscht keine irdische Zeitrechnung. Ein Moment, ein Nu hat die Gravitation von Stunden, Minuten beulen aus, ganze halbe Tage vervierfachen sich."

"Sonntag auf Station ist noch viel niederschmetternder als Samstag. Der Grossteil ist ausgeflogen, die Sperre-Kandidaten liegen und sitzen irgendwo herum. Verloren brüten sie über ihren Lebensläufen, starren aus dem Fenster oder in ihre Teetassen und sieden tonlos in ihrem Selbstmitleid."

Im letzten Drittel von "Sucht" stosse ich dann auf Passagen über die Behandlung von Alkoholikern, die mich dann doch für dieses Buch einnehmen. Weil hier die Mischung aus scharfen Einsichten, witzigen Kommentaren und klugen Schlussfolgerungen überzeugend aufgeht: "Hier treffen verfeindete Welten aufeinander: Der demütige, zitternde, um Hilfe stöhnende Alki und das saubere, adrette, selbstbewusste Klinikpersonal, das seine teuren Apparate lieber herausgibt, wenn es gilt, ein unglücklich gestürztes Kind oder einen im Dienste der Bürger angeschossenen Polizisten zu versorgen. Denn in einer Notaufnahme gilt das Prinzip der Unschuldsvermutung: Je unschuldiger der Patient, desto freundlicher die Behandlung."

Simon Borowiak
Sucht
Albrecht Knaus Verlag, München 2014

Mittwoch, 16. Juli 2014

Wie lebe ich ein gutes Leben?

Dieses Buch handelt von der der antiken Lebensweisheit, wie sie grosse Denker in Griechenland, China und Indien erstmals gedacht und aufgeschrieben haben. "Philosophie für Praktiker" verspricht der Untertitel, zu Recht, und das schliesst mit ein, dass auch die Theorie nicht zu kurz kommt, denn, so Seneca, "ohne Wurzel taugen die Zweige nichts".

"Alles ist Übung", meinte Periander. In den Worten von Albert Kitzler, dem Autor von Wie lebe ich ein gutes Leben?: "Willst du etwas an deinem Leben ändern, was dich belastet oder stört, ändere deine Gewohnheiten, sonst ändert sich nichts." Das klingt banal, doch nur wenn man darüber hinweg liest. Erst wenn man diese Weisheit in sich hinein sinken lässt, wird man die Voraussetzung dafür schaffen, dass die praktische Umsetzung gelingen kann.

Den einzelnen Kapiteln sind jeweils auch hilfreiche Merksätze beigegeben. Etwa dieser: "Der Weise lernt stets dazu, indem er das Gelernte in seinem Denken und Verhalten einübt." Nützliche Gedanken ohne daran anschliessendes Handeln, bleiben bestenfalls interessant. Und das genügt nicht, zumindest mir nicht. Und offenbar auch Albert Kitzler nicht, weshalb ich denn auch sein Wie lebe ich ein gutes Leben? ganz unbedingt empfehlen will.

Besonders angesprochen hat mich auch, dass des Autors Gedanken sich an Wesentlichem orientieren und damit im besten Sinne "praktische Lebenshilfe" bieten. "Weise Lebensführung aber bedeutet, auf sein Inneres zu achten und für seelisches Wohlbefinden zu sorgen."

Achtsamkeit, Aufrichtigkeit und Selbstprüfung zählt er zu den wichtigsten Wegen zu einer vertieften Selbsterkenntnis und zur Vergewisserung des eigenen Selbstverständnisses. Damit ist nicht einfach Wahrnehmen und Nachdenken gemeint, denn dabei schweifen wir allzu oft ins Unbewusste ab, weichen wir allzu oft unangenehmen Wahrheiten aus. Eine Selbstprüfung, um wirksam zu sein, sollte schriftlich erfolgen.

"Die Seele ist eine schmutzige Kneipe, in der die Dämonen ein- und ausgehen, wie sich der antike Lehrer Valentinus einmal ausdrückte. Wir verspüren jedoch wenig Lust, uns mit unseren Dämonen auseinanderzusetzen. Viel lieber beschäftigen wir uns mit denen der anderen. Doch je mehr Quälgeister wir aus dem eigenen Keller hervorholen, umso mehr lernen wir über uns. Und schreiben wir einen Gedanken auf, wird er festgehalten, steht da und will schlüssig fortgesetzt werden. Schriftliches Nachdenken ist demnach intensiver und konsequenter. Das Schreiben ordnet unser Nachdenken."

Selbsterkenntnis kann zu einem qualitativ besseren Leben führen, sofern sie auch umgesetzt und gelebt wird. Ja so recht eigentlich hat man nur dann auch etwas "wirklich" begriffen, wenn sich die Erkenntnis auf die eigene Lebenswirklichkeit auswirkt.

Eindrücklich und überzeugend an diesem schmalen Werk ist vor allem, wie es der Autor schafft, Hilfreiches in einfachen Sätzen zu vermitteln. "Das griechische Wort 'sophos' bedeutet nicht nur 'weise', 'verständig' und 'klug', sondern vor allem auch 'geschickt'. Weise ist derjenige, der 'geschickt' mit seinem Schicksal umzugehen versteht."

Albert Kitzler
Wie lebe ich ein gutes Leben?
Philosophie für Praktiker
Pattloch Verlag, München 2014

Mittwoch, 9. Juli 2014

Wollen Müssen

"Sie müssen sich ihrer Krankheit stellen. Sie dürfen den Kopf nicht in den Sand setzen, das hilft Ihnen gar nichts. Sie müssen wollen. Es ist nicht leicht. Es wird die grösste Herausforderung, die Sie bisher in Ihrem Leben meistern mussten. Die schwerste Rolle, wenn man so will." 
"Und wenn ich nicht will ... Wenn ich nicht mehr spielen will?" 
"Dann haben Sie keine Chance. Dann haben wir keine Chance."

Johannes Zacher
Das Lachen der Hyänen

Mittwoch, 2. Juli 2014

The serenity of belonging

Like Florencia, Lydia was proud of being Cuban. In her happy moments she basked in the kind of serenity that comes from knowing, in no uncertain terms, who and what you are - the serenity of belonging without a doubt to something greater than yourself - like the most devout priests, die-hard military men, and the very rich. And certain immigrants - those Irish whose clothes somehow smell like the mists of Dingle Bay, or those Sicilians on Mott Street who speak an Italian that confounds the university professors, the Jewish folk of Hasidic faith who would never, in their lifetimes, read a single English-language newspaper. Or those Ukranians of the Lower East Side who still trundled the streets in peasant garb, in babushkas and heavy skirts in the summertime, as if walking up a hill in the Caucasus. Or those Chinese restaurateurs whose establishments one found at the end of a twisting passageway - as twisting as any search for identity - and down stairways, and into yet more passageways until one passed through beaded curtains into low-ceilinged rooms with dark scarlet walls, where the steam smelled like bamboo and one would not hear a single word of English spoken - like those Chinese, and those others who precisely knew just who and how and what they were, even if life wasn't always easy - that kind of serenity.

Oscar Hijuelos
Empress of the Splendid Season