Ob ein Buch was taugt, merkt man häufig schon nach den ersten paar Seiten. Und Ewald Rahns Umgang mit Borderline-Patienten taugt was. Mehr: es ist ein wirklich gutes Buch. Das liegt einmal daran, dass der Autor (Arzt für Nervenheilkunde und Psychotherapeut) gut verständlich zu schreiben weiss. Und es liegt auch daran, dass er kompetent zu informieren versteht.
Bei der Borderline-Störung geht es vor allem um eines: um heftige Emotionen. Weshalb Bordis denn auch bei vielen Helfern ein ganz schlechtes Image haben Dass sie sehr schwierig und man sich vor ihnen hüten solle, ist so recht eigentlich noch das Harmloseste, was man über Bordis zu hören kriegt. Ewald Rahn sieht das etwas anders: "Weil auch Borderline-Patienten existenzielle Grundfragen aufwerfen und dem Helfer ein Entrinnen nicht gestatten, führt der Umgang mit Borderline-Patienten zu einem Lernprozess bei den Helfenden. Diese Erfahrung werden viele bestätigen können, die sich mit Borderline-Patienten auseinandergesetzt haben."
Übrigens: Die Borderline-Störung ist keine Modediagnose; die Störung gibt es schon lange, wurde jedoch früher eher als Form der Hysterie verstanden. Zudem leiden viele Bordis an einer Abhängigkeitserkrankung. Rahn nennt Sucht, Minderbegabung und Essstörungen und weist darauf hin, dass in der Hierarchie der Erkrankungen "die Suchterkrankung an erster Stelle steht, weil damit die grösseren Lebensrisiken verbunden sind." Und das meint: Es gilt zuallererst, die Sucht in den Griff zu kriegen. Gelingt dies, werden damit meines Erachtens auch ganz wesentliche Aspekte der Borderline-Erkrankung verschwinden beziehungsweise zu einem Stillstand gebracht werden.
Umgang mit Borderline-Patienten ist in der Reihe Basiswissen erschienen und "wendet sich vor allem an jene, die sich bislang noch nicht umfassend mit der Borderline-Störung befasst haben und die sich einen übersichtlichen Einblick in das Thema verschaffen wollen." Gefragt habe ich mich, was sich "umfassend mit der Borderline-Störung" befassen wohl heissen könnte, denn wirklich klar zu fassen beziehungsweise einzugrenzen ist diese Krankheit (wie übrigens auch alle anderen seelischen Krankheiten) ja nicht und deswegen (weil das eine uferlose Geschichte ist) ist eine "umfassende" Auseinandersetzung damit gar nicht möglich.
Ich will hier kurz auf den *Umgang mit der Diagnose" eingehen: Die Diagnose könne stigmatisieren und zur Festlegung auf bestimmte soziale Rollen führen, meint Rahn. Andrerseits suche der Betroffene aber eben auch nach Klarheit, von der er sich konkrete Bewältigungsmöglichkeiten erhoffe, die aber eben auch Ängste auslösen könne. Rahn empfiehlt, mit der Diagnose offen umzugehen. Das ist sicher sinnvoll, nicht zuletzt, weil die Borderline-Krankheit, all der Überlappungen mit anderen seelischen Störungen wegen, ja auch gar nicht eindeutig definiert werden kann. Ich selber finde die Stigmatisierung nicht wirklich problematisch (auf der sozialen Ebene geschieht vieles, was wir nur in geringem Ausmass beeinflussen können; wir können jedoch lernen, uns sozialen Zuschreibungen nicht widerstandslos auszuliefern) und auch, ob die Diagnose hundertprozentig stimmt (kann sie das überhaupt?), erachte ich nicht als so zentral. Wichtiger erscheint mir, konkretes Tun auszuhandeln und dann zu sehen, ob dieses hilft. Wenn nicht, versucht man es eben mit einem anderen Handeln. Konkret: Wenn jemand mit einer geringen Frustrationstoleranz geschlagen ist, ist unwesentlich, ob diese wegen einer Borderline-Störung oder einer Neurose besteht. Wichtig ist allein, dass man diese pragmatisch handelnd angeht.
Fazit: ein ausgesprochen nützliches Buch.
Besonders hilfreich fand ich die recht ausführlichen Fallbeispiele sowie den Abdruck des aufschlussreichen Dialogs, den O.F. Kernberg im Jahre 2008 zum Thema Therapievereinbarungen veröffentlicht hat.
Übrigens: Die Borderline-Störung ist keine Modediagnose; die Störung gibt es schon lange, wurde jedoch früher eher als Form der Hysterie verstanden. Zudem leiden viele Bordis an einer Abhängigkeitserkrankung. Rahn nennt Sucht, Minderbegabung und Essstörungen und weist darauf hin, dass in der Hierarchie der Erkrankungen "die Suchterkrankung an erster Stelle steht, weil damit die grösseren Lebensrisiken verbunden sind." Und das meint: Es gilt zuallererst, die Sucht in den Griff zu kriegen. Gelingt dies, werden damit meines Erachtens auch ganz wesentliche Aspekte der Borderline-Erkrankung verschwinden beziehungsweise zu einem Stillstand gebracht werden.
Umgang mit Borderline-Patienten ist in der Reihe Basiswissen erschienen und "wendet sich vor allem an jene, die sich bislang noch nicht umfassend mit der Borderline-Störung befasst haben und die sich einen übersichtlichen Einblick in das Thema verschaffen wollen." Gefragt habe ich mich, was sich "umfassend mit der Borderline-Störung" befassen wohl heissen könnte, denn wirklich klar zu fassen beziehungsweise einzugrenzen ist diese Krankheit (wie übrigens auch alle anderen seelischen Krankheiten) ja nicht und deswegen (weil das eine uferlose Geschichte ist) ist eine "umfassende" Auseinandersetzung damit gar nicht möglich.
Ich will hier kurz auf den *Umgang mit der Diagnose" eingehen: Die Diagnose könne stigmatisieren und zur Festlegung auf bestimmte soziale Rollen führen, meint Rahn. Andrerseits suche der Betroffene aber eben auch nach Klarheit, von der er sich konkrete Bewältigungsmöglichkeiten erhoffe, die aber eben auch Ängste auslösen könne. Rahn empfiehlt, mit der Diagnose offen umzugehen. Das ist sicher sinnvoll, nicht zuletzt, weil die Borderline-Krankheit, all der Überlappungen mit anderen seelischen Störungen wegen, ja auch gar nicht eindeutig definiert werden kann. Ich selber finde die Stigmatisierung nicht wirklich problematisch (auf der sozialen Ebene geschieht vieles, was wir nur in geringem Ausmass beeinflussen können; wir können jedoch lernen, uns sozialen Zuschreibungen nicht widerstandslos auszuliefern) und auch, ob die Diagnose hundertprozentig stimmt (kann sie das überhaupt?), erachte ich nicht als so zentral. Wichtiger erscheint mir, konkretes Tun auszuhandeln und dann zu sehen, ob dieses hilft. Wenn nicht, versucht man es eben mit einem anderen Handeln. Konkret: Wenn jemand mit einer geringen Frustrationstoleranz geschlagen ist, ist unwesentlich, ob diese wegen einer Borderline-Störung oder einer Neurose besteht. Wichtig ist allein, dass man diese pragmatisch handelnd angeht.
Fazit: ein ausgesprochen nützliches Buch.
Besonders hilfreich fand ich die recht ausführlichen Fallbeispiele sowie den Abdruck des aufschlussreichen Dialogs, den O.F. Kernberg im Jahre 2008 zum Thema Therapievereinbarungen veröffentlicht hat.
Ewald Rahn
Basiswissen: Umgang mit Borderline-Patienten
Psychiatrie-Verlag, Bonn 2011
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