Mittwoch, 8. August 2018

Gelassenheit: Zeit für ein gutes Leben

"Tag und Nacht belauert uns die Angst. Im Unterbewusstsein belauert sie uns fast ständig, vielleicht sogar jetzt, in diesem Moment." Die eine Möglichkeit, damit umzugehen, besteht darin, durch Meditation den Geist zu leeren, die andere, die Angst zu analysieren und zu interpretieren. Letztere ist das Thema dieses Buches. "Anstatt so viel Mühe darauf zu verwenden, den Geist zu leeren, kann es ein besserer Weg sein, wenn wir sorgfältiger und bedächtiger auf unsere Erregungszustände schauen, um herauszufinden, was eigentlich an Sorgen und Anliegen dahintersteckt."

"Es sind die Erwartungen, die die Dinge so schwierig machen." Das ist nicht einfach so dahin gesagt, sondern wird ausgeführt. Differenziert ausgeführt. Und das ist gut so, denn genaues Hinsehen ist die erste und wichtigste Voraussetzung, wenn man versucht, die Dinge zu sehen, wie sie sind und nicht, wie wir sie uns vorstellen beziehungsweise erhoffen und erträumen.

Das Leben ist schwierig. Und dieses Buch, geschrieben von The School of Life, die sich der Entwickluing emotionaler Intelligenz widmet, "weil wir überzeugt sind, dass unsere grössten Probleme durch fehlende Selbsterkenntnis, zu wenig Mitgefühl und den Mangel von Kommunikation entstehen", zeigt an einer Fülle von Beispielen aus dem täglichen Leben auf, dass es nicht nur schwierig, sondern sehr schwierig ist. Und es gelegentlich etwas leichter werden kann, sofern man akzeptiert, dass es wirklich schwierig ist.

Von Beziehungen ist etwa die Rede und die Zwischentitel geben an, in welche Richtung es dabei geht. "Unser Liebespartner ist ein eigenständiges Wesen", "Der Beginn sagt nichts über das Kommende aus", "Niemand hat eine normale Kindheit" etc. etc. Wenn auch das Meiste, das hier ausgeführt wird, einleuchtend und hilfreich ist, es gibt auch Aussagen, die ich überhaupt nicht teile. Zum Beispiel diese hier: "Wir sollten vielleicht alle paar Stunden Zeit für einen Augenblick schaffen, in dem wir uns trauen ohne Scheu um Bestätigung zu bitten. 'Ich brauche dich wirklich. Willst du mich immer noch?' sollte zu den normalsten Fragen überhaupt gehören." Ich selber finde es sinnvoller, zu lernen, mit sich selber klarzukommen und nicht vom anderen zu fordern, was man sich selber geben sollte.

Was mich an diesem Buch ganz besonders anspricht ist das Kapitel "Quellen der Gelassenheit", worin auf die Themen Schauen, Wohlklang, Weite, Geschichte und Umarmungen eingegangen wird. Das Schauen wird überdies mit Bildern sehr schön illustriert, wobei Claude Lorrains Landschaft mit Hagar und dem Engel aus dem Jahre 1646 (in Kombination mit den Ausführungen dazu) eine echte Entdeckung war: "Lorrains Bestreben war es, unseren Gemütszustand durch visuelle Eindrücke zu beruhigen, sodass wir zumindest für einen Moment so sehr in uns ruhen wie seine Landschaften."

Damit ein Leben in Gelassenheit gelingen kann, müssen wir zuallererst begreifen, dass Angst und Anspannung zu den Grundzügen unseres Wesens gehören. Weshalb dem so ist, erklärt dieses Buch, doch glücklicherweise geht es darüber hinaus und gibt uns nützliche Ratschläge. "Wir sollten lernen, über unsere Ängste zu lachen." Und: "Was zählt, ist, dass wir uns der Vorstellung gelassener und ruhiger zu sein, verpflichtet fühlen. Ganz gleich, wie oft der Versuch danebengeht, der gute Wille ist ausschlaggebend."

Gelassenheit
Zeit für ein gutes Leben
The School of Life / Süddeutsche Zeitung Edition, 2018

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