Mittwoch, 1. März 2017

Alltag einer Trinkerin

Abstieg ist zu bedächtig. Sofie Häusler ist nicht sozial abgestiegen, sondern sie machte eine Schußfahrt durch eine zielgenaue Schneise, deren Markierungen ein Saboteur hätte gesteckt haben können. Jemand, der ein Händchen hat für die dramaturgische Beschleunigung vom bösen Ende.

Sofie Häusler ist 32 Jahre alt, als sie schicksalsmäßig auf die Abschußliste kommt. Der Mann, den sie seit vier Jahren kennt, der einmal die Woche über Nacht bleibt, dieser seine Liebschaft so sachte dosierende Typ, als fürchte er sich vor Übertreibung, ist längst verheiratet. Sofie Häusler erlebt eine ruckartige Pleite.

(...)


Sofie Häusler, überempfindlich gegen zu deutlich auftretende Retter, gegen das matte Hinhören der Therapeuten, die das Saufen auf den Begriff der "vergifteten Muttermilch" bringen, begegnete in Rickling einem jungen Sozialarbeiter.

"Du hast mir genug aufs Herz getreten"

Der hatte die Zuversicht eines Anfängers und lehrte die aufgegebene Trinkerin, zu entspannen. Sofie Häusler lernte, ziehende Wolken zu sehen, auch wenn gar keine vorüberzogen. Sie konnte sich in eine Ruhe steigern, in der sie sich fragte: Was soll das ganze Miesmachen? Zusammen mit dem Sozialarbeiter verfaßte sie eine Geschichte, in der die trockene Sofie Häusler ein armes Luder gleichen Namens in einer Hafenkneipe beobachtet.

Montags besteigt die wirkliche Sofie Häusler den Bus in Rickling und fährt zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker in Neumünster. Sie fühlt sich zum erstenmal in ihrem Leben unbeirrbar, ja fast unabhängig. Von ihren ersparten Arbeitsprämien kauft Sofie Häusler eine elektrische Nähmaschine, mit der sie als Flickschneiderin eine Existenz außerhalb der Anstalten begründen will.

Der vollständige Text von Marie-Luise Scherer findet sich hier

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