Der Mediziner und Autor Siddhartha Mukherjee erhielt 2011 den Pulitzer Preis für sein Buch Der
König aller Krankheiten: Krebs - eine Biographie. Mit Gesetze der Medizin legt der S. Fischer Verlag nun seine, wie es im Untertitel heisst, Anmerkungen zu einer ungewissen Wissenschaft vor. Das Buch ist auf der Grundlage von Mukherjees TED Talk entstanden.
Ist die Medizin eigentlich eine Wissenschaft?, fragt sich der Mediziner Mukherjee. Sicher ist, dass die Medizin in den letzten Jahrzehnten mit spektakulären technischen Innovationen aufgewartet hat, doch machen diese noch keine Wissenschaft aus; "sie beweisen lediglich, dass die Medizin wissenschaftlich ist – das heisst, therapeutische Eingriffe basieren auf den rationalen Prinzipien der Pathophysiologie."
Wissenschaft zeichnet sich durch Gesetze aus. Dabei handelt es sich um "Aussagen, deren Wahrheitsgehalt auf wiederholten experimentellen Beobachtungen einiger universeller oder verallgemeinerbarer Naturattribute gründet." Das ist in grossem Ausmass in der Physik der Fall, in kleinerem in der Chemie und in einem wesentlich kleinerem in der Biologie.
Siddhartha Mukherjee macht sich auf die Suche nach Gesetzen der Medizin. Das erste, das er entdeckt, ist dieses: Ein gutes Gespür ist aussagekräftiger als ein schwacher Test.
Was man testet, ist das Eine (wer blöde fragt, kriegt blöde Antworten), wie man das Testresultat interpretiert, das Andere. "Man muss eine Ahnung haben, bevor man Ahnung hat."
Überaus spannend ist Mukherjees Vorgehen. So zeigt er etwa anhand der Astronomie auf, wie Gesetze gefunden werden können. Viele Jahrhunderte hatte das ptolemäische Weltbild Gültigkeit, gemäss dem die Erde im Zentrum des Sonnensystems sass. 1512 wurde es vom kopernikanischen Modell, das die Sonne ins Zentrum der Planeten stellte, abgelöst, nur stellte sich dann heraus, dass die Umlaufbahnen keine exakten Kreise, sondern Ellipsen waren. Darauf gekommen war Kepler, der sich so die Schleifenbewegungen des Mars erklären konnte – er hatte sich an der Ausnahme und nicht an der Regel orientiert.
Doch was hat das alles mit den Gesetzen der Medizin zu tun? Die Medizin orientiert sich am Normalfall anstatt an den Exoten. "Es gibt den Durchschnittsdiabetiker, den typischen Herzschwächepatienten, und den Krebskranken, dessen Reaktion auf eine Chemotherapie dem Standard entspricht. Doch wir wissen wenig über die Ursachen, die dazu führen, dass ein Individuum ausserhalb des normalen Spektrums liegt. Mit Hilfe der 'Normalos' stellen wir Regeln auf – die 'Ausreisser' dagegen fungieren als Portale tieferer Gesetze."
Gesetze der Medizin ist eine wunderbar anregende Lektüre!
Siddharta Mukherjee
Gesetze der Medizin
Anmerkungen zu einer ungewissen Wissenschaft
Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2016
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