Als im März 2008 Tibeter in Lhasa und anderen tibetischen Städten gegen die kommunistische Regierung protestierten und diese ihre Armee auf die Demonstranten schiessen und viele Mönchen verhaften liess, reagierte der Dalai Lama wie folgt:
"Ich habe die chinesischen Beamten visualisiert, ihren Ärger, ihren Argwohn und die sonstigen negativen Gefühle auf mich genommen und ihnen dafür Liebe, Mitgefühl und Vergebung zukommen lassen. Das löst zwar nicht unbedingt die Probleme, aber für mich war es sehr wichtig, um innerlich ruhig zu bleiben."
Auf Brutalität mit Mitgefühl zu reagieren, klingt schon fast übermenschlich, doch wenn das Ziel ist, ruhig zu bleiben, weil man sich mit ruhigem Gemüt leichter tut, Lösungen zu finden oder Gegenmassnahmen zu ergreifen, lohnt sich die Anstrengung.
Ärger ist kein guter Ratgeber. Das wissen wir alle. Doch Ärger schadet uns auch. Weil er "die Gesundheit untergräbt, weil er das Immunsystem schwächt." Doch Ärger, etwa über Ungerechtigkeiten, kann uns auch motivieren, uns gegen diese zu wehren.
Gefühle sind weder gut noch schlecht. Wie wir mit ihnen umgehen, ist entscheidend. Nehmen wir die Angst: sie kann uns vor unüberlegtem Handeln schützen, sie kann uns aber auch lähmen.
"Wir bestimmen nicht selbst, wann bei uns Ärger und Angst und in welcher Stärke aufkommen, aber wir haben sehr wohl Einfluss darauf, was wir tun, wenn wir unter dem Einfluss solcher Gefühle stehen. Wer ein inneres Frühwarnsystem aufgebaut hat, so der Dalai Lama, der hat an dieser Stelle eine Wahl, und diese Fähigkeit gilt es auszubilden."
Denke ich an den Dalai Lama, denke ich ganz automatisch an Tibet und an Religion. Und lerne bei Daniel Coleman, dass es dem Dalai Lama um mehr als Religion geht, ja, dass "seine Ethik des Mitgefühls auf keine Religion oder Ideologie oder irgendeine bestimmte Glaubensrichtung" gründet. Für den Dalai Lama ist der Mensch von Natur aus mitfühlend.
"Kleine Kinder", sagt er, "reagieren nicht auf die Stellung, die Bildung oder das Bankguthaben, das einer hat, sondern auf das Lächeln in seinem Gesicht."
Buddha regte bekanntlich seine Anhänger an, nicht blind zu glauben, was er sagte, sondern selber zu forschen und zu experimentieren. "Das ist doch ein sehr wissenschaftliches Denken", sagte der Dalai Lama. "Wir können Buddha als indischen Wissenschaftler der Antike betrachten."
Obwohl der Dalai Lama an wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr interessiert ist, ist er keineswegs blind wissenschaftsgläubig. "Wissenschaft ist für ihn nur einer der möglichen Wege zum Erfassen der Realität und wie jede andere Erkenntnismethode durch ihre eigenen Annahmen und ihre eigene Methodik begrenzt."
Sein Denken und seine Weltsicht ergänzen die Wissenschaft, indem sie Akzente setzen, die das Gemeinsame und Gemeinschaftliche betonen. So definiert sich etwa geistige Gesundheit in der westlichen Psychiatrie, gemäss Lewis L. Judd, dem ehemaligen Direktor des National Institute of Mental Health der USA, "hauptsächlich als die Abwesenheit psychischer Symptome." Für den Dalai Lama zählen jedoch auch Qualitäten wie Weisheit und Mitgefühl zu den Kriterien für geistige Gesundheit.
Als er einmal von einem Journalisten gefragt wurde, ob aus ihm auch ein Wissenschaftsphilosoph hätte werden können, meinte der als Kind von Bauern Geborene: "Also, um ganz ehrlich zu sein, wenn man mich nicht als Dalai Lama erkannt hätte, wäre ich ein Bauer." Ein weiser und mitfühlender, möchte man da hinzufügen.
Mitgefühl zeigt sich im Handeln. Und dieses impliziert, "dass man sich gegen Missstände wendet und zum Beispiel Unrecht anprangert und sich für den Schutz der Menschenrechte engagiert."
Der Dalai Lama engagiert sich für eine andere, menschen- und lebensfreundlichere Bildung als die, welche wir derzeit haben und in immer grösseren Unterschieden zwischen Reich und Arm mündet. "Wer in diesem System aufwächst, erfährt nicht viel über die Wichtigkeit der inneren Werte. Fortschritt, Geld und materialistische Werte scheinen Vorrang zu haben."
Sein Rat?
"Behalten Sie Ihre hohen Bildungsmassstäbe bei, aber vollständig kann Bildung nur sein, wenn sie auch etwas von Herzenswärme vermittelt."
Daniel Coleman
Die Macht des Guten
Der Dalai Lama und seine Vision für die Menschheit
O.W.Barth Verlag, München 2015
"Ich habe die chinesischen Beamten visualisiert, ihren Ärger, ihren Argwohn und die sonstigen negativen Gefühle auf mich genommen und ihnen dafür Liebe, Mitgefühl und Vergebung zukommen lassen. Das löst zwar nicht unbedingt die Probleme, aber für mich war es sehr wichtig, um innerlich ruhig zu bleiben."
Auf Brutalität mit Mitgefühl zu reagieren, klingt schon fast übermenschlich, doch wenn das Ziel ist, ruhig zu bleiben, weil man sich mit ruhigem Gemüt leichter tut, Lösungen zu finden oder Gegenmassnahmen zu ergreifen, lohnt sich die Anstrengung.
Ärger ist kein guter Ratgeber. Das wissen wir alle. Doch Ärger schadet uns auch. Weil er "die Gesundheit untergräbt, weil er das Immunsystem schwächt." Doch Ärger, etwa über Ungerechtigkeiten, kann uns auch motivieren, uns gegen diese zu wehren.
Gefühle sind weder gut noch schlecht. Wie wir mit ihnen umgehen, ist entscheidend. Nehmen wir die Angst: sie kann uns vor unüberlegtem Handeln schützen, sie kann uns aber auch lähmen.
"Wir bestimmen nicht selbst, wann bei uns Ärger und Angst und in welcher Stärke aufkommen, aber wir haben sehr wohl Einfluss darauf, was wir tun, wenn wir unter dem Einfluss solcher Gefühle stehen. Wer ein inneres Frühwarnsystem aufgebaut hat, so der Dalai Lama, der hat an dieser Stelle eine Wahl, und diese Fähigkeit gilt es auszubilden."
Denke ich an den Dalai Lama, denke ich ganz automatisch an Tibet und an Religion. Und lerne bei Daniel Coleman, dass es dem Dalai Lama um mehr als Religion geht, ja, dass "seine Ethik des Mitgefühls auf keine Religion oder Ideologie oder irgendeine bestimmte Glaubensrichtung" gründet. Für den Dalai Lama ist der Mensch von Natur aus mitfühlend.
"Kleine Kinder", sagt er, "reagieren nicht auf die Stellung, die Bildung oder das Bankguthaben, das einer hat, sondern auf das Lächeln in seinem Gesicht."
Buddha regte bekanntlich seine Anhänger an, nicht blind zu glauben, was er sagte, sondern selber zu forschen und zu experimentieren. "Das ist doch ein sehr wissenschaftliches Denken", sagte der Dalai Lama. "Wir können Buddha als indischen Wissenschaftler der Antike betrachten."
Obwohl der Dalai Lama an wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr interessiert ist, ist er keineswegs blind wissenschaftsgläubig. "Wissenschaft ist für ihn nur einer der möglichen Wege zum Erfassen der Realität und wie jede andere Erkenntnismethode durch ihre eigenen Annahmen und ihre eigene Methodik begrenzt."
Sein Denken und seine Weltsicht ergänzen die Wissenschaft, indem sie Akzente setzen, die das Gemeinsame und Gemeinschaftliche betonen. So definiert sich etwa geistige Gesundheit in der westlichen Psychiatrie, gemäss Lewis L. Judd, dem ehemaligen Direktor des National Institute of Mental Health der USA, "hauptsächlich als die Abwesenheit psychischer Symptome." Für den Dalai Lama zählen jedoch auch Qualitäten wie Weisheit und Mitgefühl zu den Kriterien für geistige Gesundheit.
Als er einmal von einem Journalisten gefragt wurde, ob aus ihm auch ein Wissenschaftsphilosoph hätte werden können, meinte der als Kind von Bauern Geborene: "Also, um ganz ehrlich zu sein, wenn man mich nicht als Dalai Lama erkannt hätte, wäre ich ein Bauer." Ein weiser und mitfühlender, möchte man da hinzufügen.
Mitgefühl zeigt sich im Handeln. Und dieses impliziert, "dass man sich gegen Missstände wendet und zum Beispiel Unrecht anprangert und sich für den Schutz der Menschenrechte engagiert."
Der Dalai Lama engagiert sich für eine andere, menschen- und lebensfreundlichere Bildung als die, welche wir derzeit haben und in immer grösseren Unterschieden zwischen Reich und Arm mündet. "Wer in diesem System aufwächst, erfährt nicht viel über die Wichtigkeit der inneren Werte. Fortschritt, Geld und materialistische Werte scheinen Vorrang zu haben."
Sein Rat?
"Behalten Sie Ihre hohen Bildungsmassstäbe bei, aber vollständig kann Bildung nur sein, wenn sie auch etwas von Herzenswärme vermittelt."
Daniel Coleman
Die Macht des Guten
Der Dalai Lama und seine Vision für die Menschheit
O.W.Barth Verlag, München 2015
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