Was am Umschlagbild ins Auge fällt, ist die Titelanhäufung des Autors, sie soll wohl für Kompetenz stehen, mich selber macht sie eher skeptisch: ich sehe darin nichts anderes als einen Beleg dafür, dass der Autor institutionell legitimierte Anerkennung geniesst. Das Buch ist übrigens unter Mitarbeit von Sabrina Weber-Papen entstanden und wer mit den Gepflogenheiten akademischer Buchproduktion nicht ganz unvertraut ist (ich habe selber während fünf Jahren einen akademischen Buchverlag geleitet), wird aus dem Hinweis schliessen, dass Frau Weber einen nicht unbeträchtlichen Teil dieses Buches verfasst hat. Zugegeben, ich kann mich natürlich irren, doch wie auch immer: Borderline ist ein gutes und nützliches Buch. Das liegt wesentlich daran, dass es klar und gleichzeitig differenziert daher kommt, eine Kombination, die eher selten ist.
Bei Borderline handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die sich unter anderem durch tief verwurzelte und sehr starre Verhaltens- und Denkmuster auszeichnet. Die Ursache der Störung sei zu einem Drittel genetisch, zu zwei Dritteln Umwelt, lese ich und frage mich, wie man zu einer solchen Behauptung kommt, wenn doch, und auch das steht im Buch, die genetischen Risikofaktoren "bisher noch weitgehend ungeklärt sind."
Eine höchst nützliche Frage, um eine Borderline-Störung zu diagnostizieren, findet sich im Kästchen auf Seite 60: "Passiert es Ihnen immer wieder, dass Sie wie aus heiterem Himmel oder wegen Nichtigkeiten in eine starke Anspannung geraten, die Sie als äusserst unangenehm empfinden und die Sie keinem bestimmten Gefühl wie Wut oder Furcht zuordnen können?" Natürlich ist es mit dieser Frage alleine nicht getan, natürlich muss da unter anderem auch eine eingehende Untersuchung stattfinden, um körperliche Erkrankungen auszuschliessen, doch dass 90 Prozent der Borderline-Patienten einen solchen Zustand sehr genau kennen, ist ein recht deutlicher Hinweis.
"Borderline kommt selten allein", unter diesem Titel weist Frank Schneider auf psychische Erkrankungen hin, die zusätzlich zur Borderline-Störung auftreten können. Zu den häufigsten gehört die Schlafstörung. Verbreitet sind auch Depressionen, Angststörungen, die posttraumatische Belastungsstörung, Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit, Essstörungen und ADHS; all diesen räumt der Autor beträchtlichen Platz ein. Mir scheinen die Abgrenzungen recht willkürlich und die Überlappungen offensichtlich, so ist etwa eine Suchtkrankheit ohne Angststörung nicht wirklich vorstellbar.
Die Wirksamkeit von Psychotherapie, schreibt Schneider, sei "für die meisten psychischen Erkrankungen, und so auch für die Borderline-Erkrankung, nachgewiesen." Wirklich? Bei Suchtkrankheiten jedenfalls nicht.
Psychischen Störungen ist eine geringe Frustrations- beziehungsweise Stresstoleranz gemeinsam. In der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) geht man diese unter anderem mit sogenannten Skills an. Besonders eingeleuchtet hat mir dabei diese Bemerkung: "Gemeinsam ist den Skills zur Krisenbewältigung in Hochstressphasen, dass sie intensiv sind und häufig sinnesbezogen (z.B. auf einer Chilischote kauen oder Ammoniak riechen)." Neben der DBT kommt auch die Schemafokussierte Therapie (SFT), die Übertragungungsfokussierte Therapie (TFP) sowie die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) häufig zur Anwendung. "Voraussetzung jeder Therapie und oberste Maxime während der Behandlung ist stets das 'Überleben' des Patienten in der Therapie und in den möglichen Krisen."
Eingegangen wird auch auf die Behandlung mit Medikamenten, die psychosoziale Behandlung sowie auf die Angehörigen und Freunde von Borderline-Patienten. Und das durchgängig auf verständliche und informative Art und Weise. "Borderline' ist ein Buch, das seinen Untertitel "Der Ratgeber für Patienten und Angehörige" auch wirklich verdient.
PS: Ich will diesen Ratgeber auch deswegen empfehlen, weil sich darin einer meiner Lieblingssätze findet: "You can't stop the waves, but you can learn to surf". Zugeschrieben wird er Jon Kabat-Zinn.
Prof.Dr.Dr.med. Frank Schneider
Borderline
Der Ratgeber für Patienten und Angehörige
Herbig Gesundheitsratgeber
F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 2013
Bei Borderline handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die sich unter anderem durch tief verwurzelte und sehr starre Verhaltens- und Denkmuster auszeichnet. Die Ursache der Störung sei zu einem Drittel genetisch, zu zwei Dritteln Umwelt, lese ich und frage mich, wie man zu einer solchen Behauptung kommt, wenn doch, und auch das steht im Buch, die genetischen Risikofaktoren "bisher noch weitgehend ungeklärt sind."
Eine höchst nützliche Frage, um eine Borderline-Störung zu diagnostizieren, findet sich im Kästchen auf Seite 60: "Passiert es Ihnen immer wieder, dass Sie wie aus heiterem Himmel oder wegen Nichtigkeiten in eine starke Anspannung geraten, die Sie als äusserst unangenehm empfinden und die Sie keinem bestimmten Gefühl wie Wut oder Furcht zuordnen können?" Natürlich ist es mit dieser Frage alleine nicht getan, natürlich muss da unter anderem auch eine eingehende Untersuchung stattfinden, um körperliche Erkrankungen auszuschliessen, doch dass 90 Prozent der Borderline-Patienten einen solchen Zustand sehr genau kennen, ist ein recht deutlicher Hinweis.
"Borderline kommt selten allein", unter diesem Titel weist Frank Schneider auf psychische Erkrankungen hin, die zusätzlich zur Borderline-Störung auftreten können. Zu den häufigsten gehört die Schlafstörung. Verbreitet sind auch Depressionen, Angststörungen, die posttraumatische Belastungsstörung, Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit, Essstörungen und ADHS; all diesen räumt der Autor beträchtlichen Platz ein. Mir scheinen die Abgrenzungen recht willkürlich und die Überlappungen offensichtlich, so ist etwa eine Suchtkrankheit ohne Angststörung nicht wirklich vorstellbar.
Die Wirksamkeit von Psychotherapie, schreibt Schneider, sei "für die meisten psychischen Erkrankungen, und so auch für die Borderline-Erkrankung, nachgewiesen." Wirklich? Bei Suchtkrankheiten jedenfalls nicht.
Psychischen Störungen ist eine geringe Frustrations- beziehungsweise Stresstoleranz gemeinsam. In der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) geht man diese unter anderem mit sogenannten Skills an. Besonders eingeleuchtet hat mir dabei diese Bemerkung: "Gemeinsam ist den Skills zur Krisenbewältigung in Hochstressphasen, dass sie intensiv sind und häufig sinnesbezogen (z.B. auf einer Chilischote kauen oder Ammoniak riechen)." Neben der DBT kommt auch die Schemafokussierte Therapie (SFT), die Übertragungungsfokussierte Therapie (TFP) sowie die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) häufig zur Anwendung. "Voraussetzung jeder Therapie und oberste Maxime während der Behandlung ist stets das 'Überleben' des Patienten in der Therapie und in den möglichen Krisen."
Eingegangen wird auch auf die Behandlung mit Medikamenten, die psychosoziale Behandlung sowie auf die Angehörigen und Freunde von Borderline-Patienten. Und das durchgängig auf verständliche und informative Art und Weise. "Borderline' ist ein Buch, das seinen Untertitel "Der Ratgeber für Patienten und Angehörige" auch wirklich verdient.
PS: Ich will diesen Ratgeber auch deswegen empfehlen, weil sich darin einer meiner Lieblingssätze findet: "You can't stop the waves, but you can learn to surf". Zugeschrieben wird er Jon Kabat-Zinn.
Prof.Dr.Dr.med. Frank Schneider
Borderline
Der Ratgeber für Patienten und Angehörige
Herbig Gesundheitsratgeber
F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 2013
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