Das vorliegende Buch ist in zwei Teile gegliedert. Teil eins behandelt Transaktionsanalytisches Grundwissen in Bezug auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung, Teil zwei befasst sich mit Borderline verstehen - Schluss mit der Verantwortungsübernahme durch Partner und Bezugspersonen, womit so recht eigentlich fast alles darüber gesagt ist, was sich Angehörige von Bordis merken sollten.
Das Vorwort zu Teil zwei (die beiden Teile können unabhängig voneinander gelesen werden, genau besehen handelt es nämlich um zwei Bücher) lässt die Leser wissen, dass die Autorin "selbst in einem von Borderline geprägten System, beeinflusst von perverser Kommunikation und ebensolchen Interaktionen aufgewachsen" ist. Sie weiss also aus eigener Erfahrung und nicht nur aus Büchern, wovon sie schreibt. Das bewahrt sie jedoch nicht davor, gelegentlich in reine Spekulation abzudriften. So sieht sie etwa einen "fast logischen Zusammenhang" zwischen dem "unnatürlichen Umgang mit unseren Säuglingen und der Ausprägung einer Borderline-Störung". Ja, sie geht so weit zu behaupten: "Nur wenn das Kind auch tatsächlich seine symbiotische Verbundenheit mit der Mutter ausleben kann, hat es eine Chance auf eine ungestörte Entwicklung. Nur im permanenten Körperkontakt, so wie er in nicht zivilisierten Völkern, wie bei den Yequana-Indianern Venezuelas oder bei den Papua Neuseelands zwischen Mutter und Kind selbstverständlich ist, kann sich das Gehirn des Kindes störungsfrei entwickeln." Nachprüfbar sind diese Behauptungen nicht, denn das Buch liefert keine Quellenangaben, zudem leben die Papua nicht in Neuseeland, sondern in Papua Neuguinea.
Manuela Rösel sieht die Ursachen der Borderline-Störung ausschliesslich auf der sozialen Ebene und ortet die Ursachen in der frühkindlichen Entwicklung. Das ist nicht zuletzt deswegen problematisch, weil man dabei auf Erinnerungen angewiesen ist und die können bekanntlich täuschen. Und überhaupt: Wer kann schon immer mit Sicherheit sagen, was Ursache und was Wirkung ist? Gut möglich ist überdies, dass die Wichtigkeit, die der frühkindlichen Entwicklung in den letzten Jahren zugemessen worden ist, vielleicht überschätzt und künftig ganz anders bewertet werden wird.
Frau Rösel führt zwar neurobiologische Forschungen an, etwa der verkleinerte Hippocampus bei Menschen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden oder das Zusammenspiel der Neurotransmitter (Dopamin, das Belohnungs- und Glückshormon, wird bei Bordis nur unzureichend ausgeschüttet), kommt dann aber zu diesem erstaunlichen Schluss: "Die Borderline-Forschung sucht akribisch weiter nach genetischen Voraussetzungen. Anthropologische Forschungsarbeiten deuten aber zweifelsfrei darauf hin, dass diese, sollten sie auffindbar sein, wohl ausschliesslich in den zivilisierten Ländern eine Rolle spielen. Persönlichkeitsstörungen, wie Borderline, existieren in nicht zivilisierten Gesellschaftsformen, in denen Kinder die symbiotische Verschmelzung mit der Mutter natürlich ausleben, nicht." Eine abenteurliche Logik: Was auch immer diese Forschungen ergeben werden, die Antwort kennen wir bereits. Zudem: Auch hier finden sich keine Quellenbelege.
Frau Rösel führt zwar neurobiologische Forschungen an, etwa der verkleinerte Hippocampus bei Menschen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden oder das Zusammenspiel der Neurotransmitter (Dopamin, das Belohnungs- und Glückshormon, wird bei Bordis nur unzureichend ausgeschüttet), kommt dann aber zu diesem erstaunlichen Schluss: "Die Borderline-Forschung sucht akribisch weiter nach genetischen Voraussetzungen. Anthropologische Forschungsarbeiten deuten aber zweifelsfrei darauf hin, dass diese, sollten sie auffindbar sein, wohl ausschliesslich in den zivilisierten Ländern eine Rolle spielen. Persönlichkeitsstörungen, wie Borderline, existieren in nicht zivilisierten Gesellschaftsformen, in denen Kinder die symbiotische Verschmelzung mit der Mutter natürlich ausleben, nicht." Eine abenteurliche Logik: Was auch immer diese Forschungen ergeben werden, die Antwort kennen wir bereits. Zudem: Auch hier finden sich keine Quellenbelege.
Der transaktionsanalytische Ansatz, den Frau Rösel für Borderline-Störungen propagiert, geht auf Eric Berne zurück. Dieser beschrieb die Spiele, die die Erwachsenen spielen, und an denen sich die Autorin orientiert, "dabei aber eine eigene Identifikationsstruktur und zum Teil auch andere Spielbezeichnungen verwendet". Das ist auch deswegen ein guter Ansatz, weil Bordis ganz ausgeprägt zum Spielen neigen, finden sie doch darin den so dringend benötigten Halt. Voraussetzung um aus diesen oft destruktiven Spielen auszusteigen, ist die Lebensanschauung: Ich bin o.k. - Du bist o.k. Zudem gilt: "Solange der Betroffene aber nicht bereit ist, den eigenen Leidensdruck zu akzeptieren und sich dem Risiko auszusetzen, Verantwortung dafür zu übernehmen, ist jede Unterstützung vergeblich."
Nützlich sind auch die praktischen Hinweise, wie sich Angehörige bei typischen Borderline-Verhaltensweisen (ständige Verfügbarkeit, abrupte Kontaktabbrüche, Realitätsverzerrungen, niedere Frustrationstoleranz etc.) verhalten sollen.
Nützlich sind auch die praktischen Hinweise, wie sich Angehörige bei typischen Borderline-Verhaltensweisen (ständige Verfügbarkeit, abrupte Kontaktabbrüche, Realitätsverzerrungen, niedere Frustrationstoleranz etc.) verhalten sollen.
Manuela Rösel glaubt nicht, dass Borderline heilbar ist. Doch: "Wenn Betroffene die unglaubliche Kraft und Energie, die sie zur Kompensation ihrer Störung nutzen, für deren Überwindung einsetzen würden, könnten sie sich durchaus eine gute Lebensqualität erarbeiten." Genau so ist es!
Manuela Rösel
Borderline verstehen
Starks-Sture Verlag, München 2012
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen