"Soforthilfe bei Stress und Burn-out" verspricht Horst Kraemer in seinem gerade bei Kösel in München erschienenen Buch und konkretisiert worum es darin geht bereits auf dem Umschlag: "Neue Energie in wenigen Tagen", "Coaching mit Neuroimagination", "Strategien der Vorbeugung". Wer jetzt denkt, Horst Kraemer propagiere hier die von ihm entwickelte Neuroimagination, liegt nicht falsch. Worum geht es dabei? In den Worten von Kraemer:
"Die Methode 'Neuroimagination' ist eine Kombination aus einer Vielzahl von verschiedenen Techniken, die nach eigenen Regeln und in immer wiederkehrenden Abläufen eingesetzt werden. Eine Grundregel, auf der die komplette Arbeit aufgebaut ist, besagt, dass jede Befehlsanweisung zu vermeiden ist und der Coachee immer selbst eine Wahl zum Handeln haben muss."
Na ja, im richtigen Leben ist das ja nicht so, da hat man oftmals nicht wirklich eine Wahl, denkt es da so in mir, und jede Art von Coaching sollte sich doch so recht eigentlich am richtigen Leben orientieren, oder etwa nicht? Es spricht für Horst Kraemer, dass er freimütig bekennt: "Diese Grundregel stellt einige Systeme und verschiedene Helfergruppen vor schier unlösbare Aufgaben. So bin ich damit zum Beispiel in einigen Kliniken vor unüberbrückbare direktive Barrieren (Was das wohl sein mag? Obwohl: man ahnt, was der Mann meint) gestossen. Ebenso bin ich damit in Palästina an Grenzen gekommen, wo es für die Helfer undenkbar ist, keine direkten, befehlsmässig vorgetragenen Anweisungen auszusprechen."
Ich selber gehe mit dieser Grundregel nicht einig, für mich zählt alleine die Genesung, ob mit oder ohne Grundregel, denn Regeln sind nun einmal nichts anderes als Vereinfachungen und diese sind zwar oft hilfreich, aber fast genau so oft eben auch nicht.
Horst Kraemer geht davon aus, dass in Stresssituationen die Nerven nur fragmentarisch leiten, was zur Folge hat, dass Wahrnehmung und Erinnerung "hormonell bedingt verändert, realitätsfern und durch Selbstzweifel angstbesetzt" sind. Sein Ansatz ist also ein neurobiologischer und kein psychiatrischer/psychologischer - die Frage nach dem "Warum?" der Stressbildung stellt sich bei seinem Ansatz nicht. Da hat er meine volle Sympathie und wenn seine Methode Erfolge zeigt, dann hat er gerade noch einmal meine Sympathie. Nur: ob jemand wegen dieser Behandlung genest, lässt sich nicht wirklich nachweisen.
Das menschliche Verhalten ist viel zu komplex als dass es mit einer einfachen Ursache-Wirkungs-Methode oder einem relativ simpel aufgebauten Modell à la Kraemer erfasst werden könnte. Das soll nicht heissen, dass die Neuroimagination (das meint: die Gedankensteuerung durch das bewusste Erzeugen positiv besetzter Bilder kombiniert mit Aufmerksamkeitsfokussierung und hypnotischer Verankerung) nicht funktionieren kann. Niemand weiss mit Bestimmtheit, was im seelischen Bereich wirklich funktioniert (davon schreibt Kraemer übrigens auch) und so ist ganz gut möglich, dass für Leute, die sich lieber als Kunden (dies der Kraemer'sche Ansatz) und nicht als Patienten begreifen, diese Art der Entstressung Erfolge zeitigen kann. Ob wegen der Methode oder aus ganz anderen Gründen - so schreibt Kraemer selber: "In der Placeboforschung gilt es als bewiesen, dass rund 70 Prozent aller Heilungsprozesse von der Erwartungshaltung des Menschen gesteuert werden." - ist ja dem Gestressten letztlich egal.
PS: Weniger wäre mehr gewesen. So drängt sich etwa die Charakterisierung von Kommunikationstypen in einem solchen Werk nicht gerade auf und das Kapitel "Work-Life-Integration" ist in seiner Dürftigkeit geradezu ärgerlich - eine Seite über den Sinn des Lebens, zwei Seiten über "Balance als Basis für ein geglücktes Leben". Die Seite über den Sinn des Lebens beginnt übrigens so: "'Viele Menschen planen eine Urlaubsreise besser und intensiver als ihr ganzes Leben.' Dieser Satz des Zeitplaners Nummer eins, Lothar Seiwert, sollte zu denken geben. Wie haben Sie ihr Leben geplant?" Die Frage, offenbar ernst gemeint, lässt sich am besten mit einem Witz beantworten: Wissen Sie wie man den lieben Gott zum Lachen bringt? Erzählen Sie ihm doch einfach mal, was Sie so für Pläne haben!
Horst Kraemer
Soforthilfe bei Stress und Burn-out
Kösel Verlag, München 2010
"Die Methode 'Neuroimagination' ist eine Kombination aus einer Vielzahl von verschiedenen Techniken, die nach eigenen Regeln und in immer wiederkehrenden Abläufen eingesetzt werden. Eine Grundregel, auf der die komplette Arbeit aufgebaut ist, besagt, dass jede Befehlsanweisung zu vermeiden ist und der Coachee immer selbst eine Wahl zum Handeln haben muss."
Na ja, im richtigen Leben ist das ja nicht so, da hat man oftmals nicht wirklich eine Wahl, denkt es da so in mir, und jede Art von Coaching sollte sich doch so recht eigentlich am richtigen Leben orientieren, oder etwa nicht? Es spricht für Horst Kraemer, dass er freimütig bekennt: "Diese Grundregel stellt einige Systeme und verschiedene Helfergruppen vor schier unlösbare Aufgaben. So bin ich damit zum Beispiel in einigen Kliniken vor unüberbrückbare direktive Barrieren (Was das wohl sein mag? Obwohl: man ahnt, was der Mann meint) gestossen. Ebenso bin ich damit in Palästina an Grenzen gekommen, wo es für die Helfer undenkbar ist, keine direkten, befehlsmässig vorgetragenen Anweisungen auszusprechen."
Ich selber gehe mit dieser Grundregel nicht einig, für mich zählt alleine die Genesung, ob mit oder ohne Grundregel, denn Regeln sind nun einmal nichts anderes als Vereinfachungen und diese sind zwar oft hilfreich, aber fast genau so oft eben auch nicht.
Horst Kraemer geht davon aus, dass in Stresssituationen die Nerven nur fragmentarisch leiten, was zur Folge hat, dass Wahrnehmung und Erinnerung "hormonell bedingt verändert, realitätsfern und durch Selbstzweifel angstbesetzt" sind. Sein Ansatz ist also ein neurobiologischer und kein psychiatrischer/psychologischer - die Frage nach dem "Warum?" der Stressbildung stellt sich bei seinem Ansatz nicht. Da hat er meine volle Sympathie und wenn seine Methode Erfolge zeigt, dann hat er gerade noch einmal meine Sympathie. Nur: ob jemand wegen dieser Behandlung genest, lässt sich nicht wirklich nachweisen.
Das menschliche Verhalten ist viel zu komplex als dass es mit einer einfachen Ursache-Wirkungs-Methode oder einem relativ simpel aufgebauten Modell à la Kraemer erfasst werden könnte. Das soll nicht heissen, dass die Neuroimagination (das meint: die Gedankensteuerung durch das bewusste Erzeugen positiv besetzter Bilder kombiniert mit Aufmerksamkeitsfokussierung und hypnotischer Verankerung) nicht funktionieren kann. Niemand weiss mit Bestimmtheit, was im seelischen Bereich wirklich funktioniert (davon schreibt Kraemer übrigens auch) und so ist ganz gut möglich, dass für Leute, die sich lieber als Kunden (dies der Kraemer'sche Ansatz) und nicht als Patienten begreifen, diese Art der Entstressung Erfolge zeitigen kann. Ob wegen der Methode oder aus ganz anderen Gründen - so schreibt Kraemer selber: "In der Placeboforschung gilt es als bewiesen, dass rund 70 Prozent aller Heilungsprozesse von der Erwartungshaltung des Menschen gesteuert werden." - ist ja dem Gestressten letztlich egal.
PS: Weniger wäre mehr gewesen. So drängt sich etwa die Charakterisierung von Kommunikationstypen in einem solchen Werk nicht gerade auf und das Kapitel "Work-Life-Integration" ist in seiner Dürftigkeit geradezu ärgerlich - eine Seite über den Sinn des Lebens, zwei Seiten über "Balance als Basis für ein geglücktes Leben". Die Seite über den Sinn des Lebens beginnt übrigens so: "'Viele Menschen planen eine Urlaubsreise besser und intensiver als ihr ganzes Leben.' Dieser Satz des Zeitplaners Nummer eins, Lothar Seiwert, sollte zu denken geben. Wie haben Sie ihr Leben geplant?" Die Frage, offenbar ernst gemeint, lässt sich am besten mit einem Witz beantworten: Wissen Sie wie man den lieben Gott zum Lachen bringt? Erzählen Sie ihm doch einfach mal, was Sie so für Pläne haben!
Horst Kraemer
Soforthilfe bei Stress und Burn-out
Kösel Verlag, München 2010
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