Als ich mich in jungen Jahren gerade durchgerungen hatte, die Pädagogik aufzugeben und zu Jura zu wechseln, und einer sehr schönen Frau, für die ich entflammt war, davon erzählte, lachte sie laut heraus. "Du wirst vermutlich eines Tages von einer Bücherwand mit juristischen Texten erschlagen werden", prophezeite sie mir. Daran muss ich manchmal denken, wenn ich die Bücher (keine juristischen) in meiner Wohnung betrachte, die mich einerseits beglücken (schon toll, sich in solch guter Gesellschaft zu befinden), andererseits aber eben auch beschweren, und zwar nicht zu wenig.
Anders gesagt: Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht erweckt meine Neugierde nicht, weil ich Gründe brächte, die mir "weniger ist mehr" attraktiv machen oder weil ich gar Besitz mit Glück verwechsle, sondern weil ich mir davon Anregungen verspreche, wie man schlau aufräumt bzw. in seinem Leben Ordnung schafft. Nein, ich suche keinen Ratgeber, ich suche ganz einfach hilfreiche Gedanken – und Guido Schlauch, der Autor von Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht, liefert einige.
Der wichtigste Gedanke steht auf dem Umschlag: "LASS LOS!" Nein, das ist nichts Neues, das wusste ich schon, doch eben eher theoretisch. Und das meint: Ich wusste es nicht wirklich. Und auch jetzt weiss ich es noch nicht wirklich, denn wirkliches Wissen äussert sich im Tun. Sich also "LASS LOS!" immer wieder vor Augen zu führen, fördert, so stelle ich mir vor, das Tun.
Weitere Gedanken, die ich hilfreich finde. "Dinge beanspruchen deine Aufmerksamkeit, die dir dann für Wichtigeres im Leben fehlt." So habe ich etwa die Erfahrung gemacht, dass mir mein Schreiben leichter fällt, je weniger Bücher ich um mich herum habe. "Konsum befriedigt nie lange, dann musst du nachlegen. Er wird zur Sucht ...". So isses! Anstatt von Konsumgesellschaft wäre angebrachter von Suchtgesellschaft zu reden.
Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht ist ein persönliches Buch. Autor Guido Schlaich, freier Illustrator in München, erzählt anhand vieler praktischer Beispiele von seinem Weg des Ballast-Abwerfens, den er als äussere und innere Befreiung schildert. "Will ich das, brauche ich das wirklich?" fragt er sich routinemässig. Zweifellos eine nützliche Frage, doch sie klingt einfacher als sie wirklich ist, denn unser Hirn kann uns bekanntlich jeden Schmarren einreden. Sogar den, man solle alles digitalisieren (Seite 92 ff.) was sich spätestens dann als als eher suboptimal erweisen wird, wenn der Strom ausfällt. Oder wenn man eines Tages feststellen muss, dass es die Websites, auf denen man seine Texte veröffentlicht hat, nicht mehr gibt und die Texte weg sind.
Mit anderen Worten: Das Leben nach Nützlichkeitserwägungen auszurichten, ist eine Übersimplifizierung, die dem Leben nicht gut tut. So schlägt Guido Schlaich etwa vor, im Urlaub einmal keine Handybilder zu machen. "Tauche ab in Naturschönheiten ohne jeglichen Filter vor dem Auge." Sicher, warum auch nicht. Nur eben: Wer so etwas schreibt, hat keine Ahnung davon, dass man mit der Kamera anders schaut und einen die Kamera das Sehen lernen kann.
Guido Schlaich
Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht
nymphenburger, Stuttgart 2021
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