Der Buchumschlag ist ähnlich gestaltet
wie der von
Ein
Regentropfen kehrt ins Meer zurück, dem
überaus gelungenen und hilfreichen Vorgänger des vorliegenden
Das Meer weist keinen Fluss zurück. Und so erwarte ich mir
etwas ähnlich Überzeugendes, bin dann aber recht schnell irritiert,
weil Abt Muho, wie der 1968 in Berlin als Olaf Nölke geborene Autor
heute heisst, auf den ersten Seiten nichts mich Überraschendes,
sondern nur ziemlich Triviales von sich gibt. Über die Liebe der
Mutter, der Heimatliebe und darüber, dass er mit seinen Kindern (er
lebt in Japan und ist mit einer Japanerin verheiratet) kein Deutsch
sprechen will.
Er berichtet von seiner Kindheit und
Jugend, von der Schule, den ersten Feinden, den ersten Freunden, der
ersten Liebe. Das ist ansprechend erzählt, doch ich hatte mir
Anderes erwartet. Nicht, dass ich eine genaue Vorstellung davon
gehabt hätte, aber mit Olaf Nölkes Lebenslauf hatte ich bei einem
„Weg zu Liebe und Gelassenheit“, so der Untertitel, nicht
gerechnet. Andrerseits: Handelt nicht jedes Buch notwendigerweise von den Erinnerungen, Interessen und Einsichten des Autors?
Abt
Muho führt unter anderem aus, was Christentum und Buddhismus zur Liebe sagen. Der
Ausgangspunkt der beiden könnte verschiedener gar nicht sein: Im
Buddhismus geht es darum, selbst zum Buddha zu werden. „Denn nur
der, der selber zum Buddha wird, ist vom Leiden befreit und damit
erlöst. Anders im Christentum. Ein gläubiger Christ mag zwar
versuchen, Jesus nachzufolgen. Aber er wird nicht zu Gott werden
wollen. Er weiss, dass er nur durch das Wirken Gottes erlöst werden
kann.“
Schlagartig wird mir in aller
Deutlichkeit klar, weshalb mich, der ich katholisch aufgewachsen bin,
der Buddhismus (genauer: einige für mich wesentliche Aspekte des
Buddhismus) immer angezogen hat: Zuerst kommt die Selbstliebe. Die
Liebe zum Nächsten wird sich daraus ergeben.
Im Christentum gibt es eine klare
Trennung zwischen Gott und dem Menschen. Der Christ glaubt, dass sich
der Mensch nicht aus eigener Kraft erlösen kann – deshalb ist
Jesus für die Erlösung der Menschen am Kreuz gestorben. „Buddha
hingegen ist kein Gott. Deshalb steht jedem Menschen der Weg offen,
selbst zum Buddha zu werden. Als der Inder Shakyamuni zum Buddha
wurde, hat er das nicht getan, um dadurch die Menschheit zu erlösen.
Vielmehr hat er ein Beispiel gesetzt, dem wir folgen sollen.“
Ausführlich erläutert Abt Muho, welche Hilfestellungen der Zenmeister Dogen für die Praxis der Liebe im Alltag gibt. "Gewöhnlich denkt man, dass man jetzt hier lebt und irgendwann, an einem hoffentlich noch sehr fernen Tag, sterben muss. Eine klare Trennung, die aber trügt. Denn wir sterben bereits heute, an genau diesem Tag. Jetzt. Jeder Tag des Lebens ist auch ein Tag des Sterbens. Leben und Sterben gehören fest zusammen. Man kann sie nicht trennen." Und was hat das jetzt mit der Liebe im Alltag zu tun? Diese Grundhaltung akzeptiert das Leben wie es ist. Und das meint: Es geht darum, alles anzunehmen, wie es ist. Auch sich selbst (das ist das Schwierigste). Und den geliebten Menschen. Mit Gelassenheit.
Das Meer weist keinen Fluss zurück ist kein Rezeptbuch, sondern eine Auseinandersetzung mit grundlegenden Lebensfragen. "'Ich verstehe nicht, warum die Menschen sich hassen!' Wer so spricht hat tatsächlich nichts verstanden und droht, seine Beziehung zu dem oder den anderen gegen die Wand zu fahren. Der Ursprung von Zwietracht und Hass liegt immer auch in einem selbst. Und wirklich zu lieben, muss man wissen, dass man auch hassen kann. Sonst droht ein böses Erwachen."
Abt Muho
Das Meer weist keinen Fluss zurück
Ein Weg zu Liebe und Gelassenheit
Berlin Verlag, München 2018