David Sedaris:
Ich
war volle 25 Jahre am Stück high. So war es auch mit dem Alkohol.
Sogar als es nicht mehr so lustig war. Vielleicht hätte ich es
früher geschafft, davon loszukommen, aber ich war davon überzeugt,
dass ich die Drogen und den Alkohol brauche – um schreiben zu
können. Ich hatte so viele Aufträge und musste mich an enge Fristen
halten, also war es erforderlich, rund um die Uhr zu schreiben.
Abends betrunken zu sein ist eine Sache. Aber morgens um zehn Uhr
schon einen sitzen zu haben ist noch mal was anderes. Das war ein
regelrechter Weckruf.
ZEITmagazin:
Über
welche Mengen reden wir?
Sedaris:
Ich
bin kein Riesenkerl, also fünf Bier auf leeren Magen machen mich
schon fertig. Dann folgte ein großes Glas Scotch, meist wurden
daraus zwei, dann drei. Danach kamen die Drogen, ich war high, bis
ich umkippte. Um davon loszukommen, musste ich meinen Lebensrhythmus
ändern, und so begann ich damit, morgens zu schreiben. Nie abends.
ZEITmagazin:
Und
wie war es mit den harten Drogen?
Sedaris:
Ich
war komplett abhängig von Crystal Meth Es ging mir so dreckig, ich
klaute es von meinen Freunden und war über Tage am Stück wach. Wenn
ich heute meine Tagebücher aus der Zeit lese, dann sehe ich, dass
ich verrückt war. Meine Rettung: Mein Dealer ist zum Glück
irgendwann einfach weggezogen. Da hatte ich keine Quelle mehr. Die
Genesung war nicht mal mein Verdienst, aber sie änderte mein Leben.
Heute findest du innerhalb weniger Stunden einen neuen Lieferanten,
aber damals, 1978, war die Droge nicht so einfach zu bekommen. Von
Crystal Meth loszukommen war eins der schwierigsten Dinge, die ich je
durchlebt habe.
ZEITmagazin:
Wie
haben Sie es körperlich geschafft?
Sedaris:
Ich
habe von einem auf den anderen Tag aufgehört. Ein Tag ohne Drink
folgte dem anderen und so weiter. Mit dem Rauchen war es genauso. Ich
habe aufgehört, weil ich frei sein wollte. Ich wollte überall
hingehen können, egal wann. Das macht das Reisen so viel einfacher.
Ich konnte mir viele Jahre gar nicht vorstellen, ohne eine Zigarette
in der Hand zu schreiben. Daran denke ich jetzt überhaupt nicht
mehr. Ich kann jetzt überall schreiben, im Flugzeug, im Wartezimmer.
Ich sage nicht, dass es gut ist, was ich schreibe, aber so gelingt es
mir.
ZEITmagazin:
Rückblickend,
hatten Sie keine Angst, Drogen zu nehmen?
Sedaris:
Nein,
ich habe alles ausprobiert. Das meiste bereue ich nicht. Aber Kokain
habe ich bereut: das ganze Geld, das draufgegangen ist! Heroin habe
ich nur einmal genommen, um jemanden zu beeindrucken. Wenn jemand mir
gesagt hätte, du wirst high, wenn du deine Fingernägel rauchst –
ich hätte das versucht.
ZEITmagazin:
Fühlten
Sie sich als jemand Besonderes, weil Sie von Ihrer Abhängigkeit
losgekommen sind?
Sedaris:
Es
war jetzt nichts, was andere nicht auch geschafft haben. Viele Leute
schmeißen ihre Gewohnheiten über Bord und fangen neu an. So gesehen
war ich niemand Besonderes, und es war gut, mir darüber im Klaren zu
sein.
Aus: Die ZEIT Nr. 03/2018