Mittwoch, 29. März 2017

The Simple Approach to the 12 Steps!

1. There's a power that will kill me.
2. There's a power that wants me to live.
3. Which do I want? (If you want to die, stop here. If you want to live, go on.)
4. Using examples from your own life, understand that selfishness, dishonesty, resentment, and fear control your actions.
5. Tell all your private, embarrassing secrets to another person.
6. Decide whether or not you want to live that way any more.
7. If you want your life to change, ask a power greater than yourself to change it for you. (If you could have changed it yourself, you would have long ago.)
8. Figure out how to make right all the things you did wrong.
9. Fix what you can without causing more trouble in the process.
10. Understand that making mistakes is part of being human (When you make a mistake, fix it, immediately if you can.)
11. Ask for help to treat yourself and others the way you want your higher power to treat you.
12. Don't stop doing 1 through 11, and Pass It On!!
--Author Unknown

Mittwoch, 22. März 2017

Borderline - und nach aussen alles normal!

"Vor drei Jahren war ich bereit, mein Leben zu beenden. Ich hatte lange darüber nachgedacht und war zum Schluss gekommen, dass ich kein Anrecht auf Leben habe. Ich informierte mich, welche Suizidmethode die grösstmögliche Sicherheit auf Erfolg bringe. Ich informierte mich gründlich", schreibt Sanny Regen in Diverse Töne Rot; Borderline – und nach aussen alles normal! Das Semikolon im Titel hat seinen guten Grund: "Das Semikolon vereint die Trennung zum Bisherigen mit dem Fortführen des Eigentlichen. So wurde dieses Satzzeichen zum Symbol der bewussten Lebensführung aller psychisch Erkrankten."

Schwer zu sagen, was Sanny Regen letztlich davon abhielt, sich nicht umzubringen. Was wissen wir schon über unsere Motivationen? Ja, was können wir diesbezüglich schon wissen? Doch werden wir praktisch: Am Tage, als sich Sanny das Leben nehmen wollte, befand sie sich stationär in einer psychiatrischen Einrichtung. Eine Bezugspflegerin sah ihr an, was sie vorhatte. Und erzählte ihr, "was danach passiert, dann, wenn die Angehörigen davon erfahren. Wenn diese nicht verstehen können, wie ein für sie so wertvoller Mensch gehen konnte."

Diverse Töne Rot; Borderline – und nach aussen alles normal! erzählt einerseits vom brutalen, schwer erträglichen Aufwachsen in einem Elternhaus fern jeder Normalität und andererseits von Sannys Umgang mit ihrer Borderline-Krankheit. Kann/soll sie ihrem Freund offenbaren, was wirklich in ihr vorgeht? Ihm, der sich doch bereits von ihr abgestossen fühlt, wenn er nur mit der winzigen Spitze des Eisbergs konfrontiert wird? Mit diesem Buch hat sie es gewagt  –  mit ihrem Freund ist sie immer noch zusammen.

Sie hat Gewaltphantasien, stellt sich vor, wie sie fremde Menschen vor ein Auto schubst, wie sie einem Mann von hinten ein Messer in den Nacken stösst. "Ich bin ein Psycho! Meine Diagnosen haben Namen wie Bulimia Nervosa, bipolare Störung, posttraumatische Belastungsstörung und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Im Prinzip bin ich eine wandelnde Störung."

Ihre Ehrlichkeit imponiert, ihre Bestimmtheit ebenso. "Auch wenn die Ärzte sagen, dass man Borderline hat und nicht ist, kann ich mit ganzer Überzeugung sagen, dass ich eine bin. Ob dies nun Veranlagung ist oder nicht, kann mir bis heute kein Therapeut sagen. Dabei ist doch allen klar, dass dies alles bei mir zutrifft."

Borderline zeichnet sich wesentlich dadurch aus, dass die Emotionen der davon Betroffenen oft verrückt spielen und nicht reguliert werden können. Das zeigt sich etwa in extremen und für Aussenstehende völlig unangemessenen Wutanfällen. Es kann sich auch in Selbstverletzungen äussern. "Dass viele (nicht alle) Borderliner sich verletzen, ist das erste, das Nicht-Borderliner erfahren. Danach möchten die wenigsten Weiteres über diese Krankheit wissen."

Damit es nicht dabei bleibt, braucht es Aufklärung. Die wichtigste kommt von den Borderlinern selber, denn sie kennen aus eigener Erfahrung, was "Experten" meist nur aus zweiter Hand wissen und manchmal nicht der Realität, sondern ihrem Raster gemäss interpretieren  –  etwa als die kleine Sanny auf Geheiss ihres Vaters lügt. "Heute sagen mir meine Therapeuten, dass ich aus Angst gehandelt habe, aber in kann dieses Gefühl in meiner Erinnerung einfach nicht finden. Da ist keine Angst, sondern nur die Selbstverständlichkeit, meinem Vater zu gehorchen. Ich hatte weder Angst noch den Weitblick, seine Aussage in Frage zu stellen, und so wusste ich genau, was zu tun war."

Diverse Töne Rot; Borderline – und nach aussen alles normal! ist ein aufwühlendes Buch, das einem die heftige Gefühlswelt von Borderlinern nicht nur nahe bringt, sondern einem klar macht, dass Borderliner durch die Hölle gehen. Sie seien emotionale Brandopfer, hat Marsha Linehan einmal geschrieben. Sanny Regens Schilderungen illustrieren dies höchst eindrücklich  – es ist unfassbar, was sie alles hat über sich ergehen lassen und aushalten müssen. Sie ist eine aussergewöhnlich starke Frau.

"Ich hasse mich. Ich hasse mich, weil ich mich nicht verstehe und jemand anderen, der so wäre wie ich, auch nicht leiden könnte. Einem Fremden kann man jedoch aus dem Weg gehen, bei mir selber ist das unmöglich. Warum schaffe ich es nicht, meinem Freund zu sagen, wie ich empfinde, so, dass es auch bei ihm ankommt? Warum muss ich immer weinen und kann nicht ruhig bleiben? Warum kann ich mich nicht darüber freuen, heute nicht gegen eine Wand geschlagen zu haben, obwohl der Impuls da war? Stattdessen mache ich mir Vorwürfe, meinen Freund mit meinen Aussagen, die der Wahrheit entsprechen, getroffen zu haben."

Veränderung braucht Mut. Sie beginnt mit dem Akzeptieren dessen, was ist. Voraussetzung dafür ist die Konfrontation mit dem, was gewesen ist. Und mit der Gegenwart. Was das konkret heisst, zeigt  Diverse Töne Rot; Borderline – und nach aussen alles normal! bewegend und eindrucksvoll.

So bewundernswert aufrichtig Sanny Regens Aufzeichnungen sind, sie zeugen auch von einem schonungslosen Umgang mit sich selber. Sie lernt zur Zeit, dass es auch anders geht. "Heute denke ich nicht mehr ständig an meine Vergangenheit oder an meinen Tod. Ich suche die Schuld nicht immer nur bei mir und empfinde erstmals wieder Freude daran, anderen Gutes zu tun." Nur weiter so!

Sanny Regen
Diverse Töne Rot;
Borderline – und nach aussen alles normal!
Starks-Sture Verlag, München 2017

Mittwoch, 15. März 2017

Die Wahrheit über weibliche Depression

Weibliche Depression? Gibt es die überhaupt? Gibt es nicht einfach nur Depression, männliche wie weibliche? Das und mehr habe ich mich gefragt, als ich dieses Buch zur Hand nahm. Und erfuhr dann vor allem Grundlegendes über Depressionen, die bei Frauen doppelt so häufig vorkommen wie bei Männern.

"Eine Depression ist ein Symptom, ein Anzeichen dafür, dass an irgendeiner Stelle im Körper eine Unausgewogenheit oder ein Problem besteht, das in Angriff genommen werden sollte." Sie sei eine mentale Erkrankung, doch weder ein ausschliesslich psychologisches noch ein rein neurochemisches Problem, so die Psychiaterin Kelly Brogan.

Konkret: Die mittlerweile landläufige Vorstellung, dass die Depression eine Krankheit sei, die im Kopf entstehe und chemische Antidepressiva das Heilmittel darstelle, hält Kelly Brogan für "meilenweit von der Wahrheit enfernt". Denn Antidepressiva sind gegen Depressionen nicht wirksamer als ein Placebo, ein Scheinmedikament. Doch Placebos wirken, jedenfalls kurzfristig, auf Grund der Erwartungshaltung der Patienten.

Antidepressiva helfen nicht nur nicht gegen die Depression, sie sind potentiell gefährlich. "Das schmutzigste kleine Geheimnis ist die Tatsache, dass Antidepressiva zu den Wirkstoffen gehören, von denen man am schwersten loskommt, schlimmer noch als Alkohol und Opiate." Mehr noch: sie 
führen "bei der Einnahme über einen längeren Zeitraum zu einer chronischen, hartnäckigen und therapieresistenten Depression."

Antidepressiva werden übrigens "nicht nur bei den klassischen Anzeichen einer Depression eingesetzt, sondern bei einem Sammelsurium unterschiedlichster Störungen." Vom prämenstruellen  Syndrom über Zwangsstörungen bis zur Anorexie. Ja sogar bei Arthritis und Migräne. Kurz und gut: die Verschreibung von Antidepressiva ist vor allem lukrativ. 

Nur eben: Entgegen dem, was die Bezeichnung Antidepressivum suggeriert, gibt es keine spezifischen Medikamente gegen die Depression. Doch was ist mit dem Serotonin-Ungleichgewicht, von dem man immer wieder hört? Bewiesen worden ist dieses nicht, doch wie viele falsche Vereinfachungen war (und ist) dieses Modell ein beeindruckendes Ergebnis von Marketing.

Laut Kelly Brogan ist die Depression ein Zustand, der oft von Entzündungsvorgängen ausgelöst wird, und keine chemische Mangelerscheinung. "Der machtvollste Weg zum Gehirn – und zum Seelenfrieden – führt durch den Darm", behauptet sie.

Doch sie schreibt auch: "Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Das engmaschige Netz, zu dem Darm, Gehirn, Immun- und Hormonsystem gehören, ist schwer zu entwirren. Solange wir diese komplexen Beziehungen nicht vollumfänglich verstehen, sind wir ausserstande, einer Depression vorzubeugen oder sie wirksam zu behandeln."

Was also ist zu tun? Das Übliche. Also das, was einem der gesunde Menschenverstand sagt: sich richtig ernähren, genügend schlafen, sich bewegen etc. "Kaum hatte ich meine Ernährung komplett umgestellt, bestimmte Nahrungsergänzungsmittel hinzugefügt und begonnen, mich regelmässig zu bewegen und zu meditieren, als meine Symptome dank gesunder Antikörper- und Schilddrüsenwerte völlig verschwanden."

Kelly Brogan plädiert für eine grundlegende, heilsame Veränderung unserer Lebensweise. Dafür erforderlich ist eine neue Sichtweise, die nicht auf Medikamente vertraut, sondern ganzheitlich orientiert ist. Es geht darum, die Verantwortung für den eigenen Körper zu übernehmen. Anregungen und Anleitungen, wie das möglich ist, finden sich in diesem Buch zuhauf.

Dr. med. Kelly Brogan
mit Kristin Loberg
Die Wahrheit über weibliche Depression
Warum sie nicht im Kopf entsteht und ohne Medikamente heilbar ist
Beltz Verlag, Weinheim Basel 2016

Mittwoch, 8. März 2017

Der sogenannte "War on Drugs"

Der globale Drogenhandel ist ein lukratives und hart umkämpftes Geschäftsfeld, der geschätzte Jahresumsatz beläuft sich auf rund 300 Milliarden Dollar, lese ich in Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen des Wirtschaftsjournalisten Tom Wainwright, der sich aufgemacht hatte, diesen Wirtschaftszweig, von der Herstellung bis zum Verkauf der Drogen, zu untersuchen.

Betrachtet man die Drogenindustrie aus ökonomischer Sicht, so stellt man fest, dass sie so recht eigentlich wie jede andere Branche auch funktioniert. Da geht es um Personalführung, logistische Fragen, zuverlässige Lieferanten und um die Umschiffung staatlicher Auflagen. Und natürlich spielt auch die Zufriedenheit der Kunden eine zentrale Rolle.

Klar doch, es versteht sich: Das Drogengeschäft ist nicht wie jedes andere. Schliesslich sind die Substanzen, mit denen gehandelt wird, illegal. Und deswegen wird dieser Handel auch von Staats wegen bekämpft. Der sogenannte "War on Drugs" führte 2010 in Mexiko zu über 20 000 Ermordeten. "Das Jahr darauf war noch gewaltsamer. In den Nachrichten wurde kaum noch über etwas anderes berichtet: jede Woche neue Geschichten von korrupten Polizisten, Attentaten auf Beamte und zahllosen Massakern an narcotraficantes, die sich gegenseitig abknallten oder von der Armee aufgebracht wurden."

Was soll das also bringen, volks- und betriebswirtschaftliche Analysemethoden auf Drogenkartelle anzuwenden? "Das Versagen, die Ökonomie der Drogenkartelle zu begreifen ... hat dazu geführt, dass die Regierungen Geld- und Menschenleben in Massnahmen investieren, die nicht funktionieren." Anders gesagt: Wer die Kartelle in die Schranken weisen will, muss sie vor allem als Wirtschaftsunternehmen begreifen, so die These von Narconomics.

Laut Tom Wainwright begehen "Regierungen von La Paz bis London immer wieder dieselben vier grossen ökonomischen Fehler". 1) Die Unterdrückung der Produktion führt zu Preissteigerungen und damit zu einem profitableren Markt. 2) Kurzzeitdenken. Wenn Gelder gespart werden müssen, geht das immer auf Kosten der Rehabilitierung und der Suchtbehandlung. 3) Drogenbekämpfung geschieht meist auf nationaler Ebene und erlaubt den Kartellen, von einem Rechtsraum zum anderen zu wechseln. 4) Prohibition wird mit Kontrolle verwechselt.

In Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen werden diese Argumente mit Leben gefüllt. In den Anden erfährt der Autor, dass nur die armen Bauern unter den Kahlschlagstrategien der Drogenbekämpfer zu leiden haben. Im mexikanischen Juárez erlebt er nahezu menschenleere Strassen, auf denen die Menschen äusserst vorsichtig zu fahren scheinen. "Ich frage Miguel, warum er beim Halten an den Ampeln so viel Platz zum nächsten Auto lasse. 'Falls es zu einer Schiesserei kommt', sagt er und zuckt mit den Achseln." In El Salvador lernt er, dass die beiden führenden Strassenbanden sich in Kalifornien formiert hatten, "zum Zwecke der Selbstverteidigung, des Drogenhandels und der Schutzgelderpressung."

À propos El Salvador: Im März 2012 schlossen die beiden tonangebenden Strassenbanden einen Waffenstillstand. Die Mordraten sanken. In Mexiko, wo sich der Wettbewerb unter den Drogenkartellen zunehmend verschärfte, stieg die Anzahl der Morde massiv.

Die gegenwärtige Drogenpolitik funktionert nicht. Das weiss jeder (und jede). Sie tut genau dasselbe, was auch Drogensüchtige tun: Sie verschliesst sich den eigenen Einsichten. Und so geht der sogenannte "War on Drugs" weiter. Obwohl, die Beispiele aus Colorado, Portugal und der Schweiz lassen hoffen ...

Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen plädiert für eine neue Drogenpolitik, in welcher der Fokus auf die Nachfrage (und nicht auf das Angebot) gelegt wird, Geld für die Prävention (und nicht für die Strafverfolgung) investiert wird, global (und nicht national) vorgegangen wird und Drogen legalisiert (und damit kontrolliert) werden.

Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen leistet notwendige Aufklärungsarbeit.

Tom Wainwright
Narconomics
Ein Drogenkartell erfolgreich führen
Karl Blessing Verlag, München 2016

Mittwoch, 1. März 2017

Alltag einer Trinkerin

Abstieg ist zu bedächtig. Sofie Häusler ist nicht sozial abgestiegen, sondern sie machte eine Schußfahrt durch eine zielgenaue Schneise, deren Markierungen ein Saboteur hätte gesteckt haben können. Jemand, der ein Händchen hat für die dramaturgische Beschleunigung vom bösen Ende.

Sofie Häusler ist 32 Jahre alt, als sie schicksalsmäßig auf die Abschußliste kommt. Der Mann, den sie seit vier Jahren kennt, der einmal die Woche über Nacht bleibt, dieser seine Liebschaft so sachte dosierende Typ, als fürchte er sich vor Übertreibung, ist längst verheiratet. Sofie Häusler erlebt eine ruckartige Pleite.

(...)


Sofie Häusler, überempfindlich gegen zu deutlich auftretende Retter, gegen das matte Hinhören der Therapeuten, die das Saufen auf den Begriff der "vergifteten Muttermilch" bringen, begegnete in Rickling einem jungen Sozialarbeiter.

"Du hast mir genug aufs Herz getreten"

Der hatte die Zuversicht eines Anfängers und lehrte die aufgegebene Trinkerin, zu entspannen. Sofie Häusler lernte, ziehende Wolken zu sehen, auch wenn gar keine vorüberzogen. Sie konnte sich in eine Ruhe steigern, in der sie sich fragte: Was soll das ganze Miesmachen? Zusammen mit dem Sozialarbeiter verfaßte sie eine Geschichte, in der die trockene Sofie Häusler ein armes Luder gleichen Namens in einer Hafenkneipe beobachtet.

Montags besteigt die wirkliche Sofie Häusler den Bus in Rickling und fährt zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker in Neumünster. Sie fühlt sich zum erstenmal in ihrem Leben unbeirrbar, ja fast unabhängig. Von ihren ersparten Arbeitsprämien kauft Sofie Häusler eine elektrische Nähmaschine, mit der sie als Flickschneiderin eine Existenz außerhalb der Anstalten begründen will.

Der vollständige Text von Marie-Luise Scherer findet sich hier