"Viele glauben, ich sei betrunken", lautete der Titel des Interviews mit dem Schriftsteller Richard Wagner über seine Parkinson-Krankheit in der Basler Zeitung. Wer darunter leidet, kann seine Bewegungsabläufe nicht mehr kontrollieren. "Herr Parkinson verwirrt den Körper und lässt den Kopf zuschauen", charakterisiert Wagner die Krankheit. Und: "Man muss den Istzustand aushalten – und sein Leben danach neu ausrichten."
Ein pragmatischer, ja ein weiser Satz. Realistisch und keineswegs resignativ. Eine ständige Aufforderung an sich selber, anwendbar auf alle Menschen, nicht nur auf die, die unter Parkinson leiden. Nur, dass es für letztere eine grössere Herausforderung ist, als für "uns Normalos".
Früher sprach man von Schüttellähmung, heute spricht man beschwichtigend vom Restless-Legs-Syndrom. "Das Syndrom der ruhelosen Beine. Als ginge es bloss um die Beine, und nicht auch um den Kopf, der angeblich alles kontrolliert, aber kaum etwas unter Kontrolle hat."
Wie alle, die mit einer schweren Krankheit diagnostiziert werden, will er anfangs nicht wahrhaben, was ist. "Ich versuchte mir zwar immer noch einzureden, die Symptome seien noch nicht eindeutig genug, aber die Diagnose stand fest, an ihr war kaum zu rütteln."
Was helfen könne, so der Autor, sei die medikamentöse Einstellung. "Sie kann zumindest vorübergehend durch pragmatische Beobachtung und Selbstbeobachtung des Verhaltens des Erkrankten verbessert werden. Vorausgesetzt sein Verhalten ist logisch."
Die Medikation wirkt, Richard Wagners Zustand bessert sich erstaunlich schnell, doch nur vorübergehend. Der schlaue Herr Parkinson und seine Truppen lassen sich nicht so leicht abfertigen.
Unerklärliche Krankheiten zu personalisieren, macht Sinn. Damit man zumindest einen Anhaltspunkt hat, an dem man sich orientieren kann. "Herr Parkinson hat keinen Zweck im Auge, er hat nichts mit einem vor. Er handelt aus dem Augenblick heraus und ist vom Ergebnis nicht weniger überrascht als der Erkrankte."
Richard Wagner hat mit "Herr Parkinson" nicht nur seine persönliche Leidensgeschichte aufgezeichnet, sondern auch von anderen berichtet, die unter dieser Krankheit zu leiden hatten, vom Schweizer Schriftsteller Jürg Federspiel über den Schauspieler Michael J. Fox zum preussischen Bildungserneuerer Wilhelm von Humboldt.
"Herr Parkinson" ist ein sehr menschliches ("Der Träger einer so konsequent sinnsprengenden Krankheit wie Morbus Parkinson will getröstet sein, jenseits von Ursachenforschung und Therapie") wie auch ein traurig-witziges Buch: "Es kam der Tag, an dem ich zum ersten Mal einen Brief nicht zu Ende schreiben konnte, und es beunruhigte mich nicht besonders, denn das Briefschreiben ist nie meine Stärke gewesen."
Vor allem jedoch beeindruckt "Herr Parkinson" als Dokument des würdevollen Umgangs mit seinem Schicksal.
Richard Wagner
Herr Parkinson
Knaus Verlag, München 2015
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