Wer sich mit seelischen Krankheiten auseinandersetzt, wird mit der Zeit feststellen, dass viele Bücher sich nicht an die Direkt-Betroffenen, sondern an die Angehörigen richten. Ganz so, als ob Angehörige der Hilfe mehr bedürften als Direkt-Betroffene. Und das scheint in der Tat so, denn der Kranke, um überleben zu können, hat häufig (nein, nicht immer) gelernt, mit seiner Krankheit umzugehen. Jedenfalls mehr oder weniger. Das kann man von Angehörigen meist nicht sagen: sie sind schnell einmal überfordert, fühlen sich hilflos.
Dieses Buch wurde von zwei Betroffenen geschrieben (und hat schon deswegen meine Sympathie), dem früheren Unternehmer John B. Kummer, der lange Jahre immer wieder Opfer von Depressionen geworden und seit nunmehr 20 Jahren frei von Rückfällen ist sowie dem Sachbuch Autor Fritz Kamer, der durch mehrere Krankheitsfälle in seinem näheren und weiteren Umfeld mit der Problematik vertraut geworden ist.
Die Kernaussage des Buches lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Je mehr wir über die Krankheit Depression wissen (nur etwa die Hälfte der Depressionen werden überhaupt erkannt), desto besser werden wir mit ihr umgehen können. Das gilt sowohl für die an der Krankheit Leidenden als auch für ihre Angehörigen. Und natürlich gilt das auch für diejenigen, die Depressive behandeln.
Ganz entscheidend, so lerne ich, sei die Früherkennung. Dafür findet sich in diesem Buch eine Checkliste 'Innere Symptome der Depression'. Als Symptome finden sich da auf "der psychischen Seite Niedergeschlagenheit, Interesselosigkeit (auch auf sexuellem Gebiet), Antriebslosigkeit, Entscheidungsschwäche, Konzentrationsprobleme, Selbstanklagen, Minderwertigkeitsgefühle, Beschäftigung mit dem Tod (theoretisch oder gar praktisch), auf physischem Gebiet Schmerzen, besonders in Kopf und Bauch, deren Herkunft und Grund nicht auszumachen ist."
Kennzeichnend für den Depressiven (Frauen sind mit gemeint) ist die Überforderung: "Das Erfüllen von Erwartungen wird zum Lebensprinzip, die Überforderung wird zu einem Lebensmuster." Besonders hilfreich fand ich dies: "Was der Kranke uns sagt (wenn er überhaupt mit uns spricht), ist selten das, was er denkt. Wenn wir uns dessen bewusst sind, fällt uns der Umgang mit ihm leichter."
Was können Angehörige tun? Die Depression als Krankheit akzeptieren, sich zurück halten mit gut gemeinten Ratschlägen, geduldig bleiben und sich nicht überfordern. Denn: "Es wäre von Grund auf falsch zu glauben, dass wir Angehörigen unsere lieben Depressionskranken heilen können. Alles, was wir tun können, ist ihnen (und uns) das Leben etwas erleichtern."
Immer mal wieder wird darauf hin gewiesen, dass Therapie und Medikation wichtig seien (die Ärztin Christine Rummel-Kluge schreibt: "Ziehen Sie einen Arzt zu Rate!"), ganz so, als ob die Therapie von Seelenerkrankungen eine wissenschaftliche Disziplin sei. Skeptisch bin ich auch über die Aussage, es bestehe "die achtzigprozentige Sicherheit, dass unser Partner, Vater, Frau. Tochter, Sohn, Freund wieder ganz gesund wird, mit dem Unterschied vielleicht, dass er oder sie das Leben anders anschaut und geniesst als vor der Krankheit." Anders gesagt: Man kann nicht wirklich wissen (beziehungsweise messen), ob eine Therapie bewirkt, was sie zu bewirken vorgibt..
Ich selber halte mehr von der Selbsthilfe der Betroffenen (und das schliesst die Angehörigen mit ein), weshalb mir denn auch diese Schilderung von John Kummer ganz besonders gut gefallen hat:
"Wir fuhren also los Richtung Klinik. Unterwegs wuchs meine Angst immer mehr, bis ich sagte: 'Du, das mit der Klinik ist ein Fehler, wir fahren zurück.' Im Nachhinein bewundere ich meine Frau in der damaligen Lage. Sie hatte das Steuer fest in der Hand, Entschlossenheit im Gesicht, Augen geradeaus und sagte nur das eine Wort aus zusammengepressten Lippen: 'Mitnichten.'
Das war dann auch das Ende meiner Schwellenangst und ich liess den Rest des Tages willenlos an mir vorbeiziehen. So schlimm war es dann auch wieder nicht. Allerdings war es auch wieder meine Frau, die mir nach vielen Wochen telefonisch riet: 'Du, sag dem Arzt, dass du nach Hause willst, denn was die dort mit dir machen, das können wir beide zuhause auch.' Das geschah dann auch so."
Fritz Kamer / John P. Kummer
Depression? Wie helfen?
Das Buch für Angehörige
Kösel-Verlag, München 2012
Dieses Buch wurde von zwei Betroffenen geschrieben (und hat schon deswegen meine Sympathie), dem früheren Unternehmer John B. Kummer, der lange Jahre immer wieder Opfer von Depressionen geworden und seit nunmehr 20 Jahren frei von Rückfällen ist sowie dem Sachbuch Autor Fritz Kamer, der durch mehrere Krankheitsfälle in seinem näheren und weiteren Umfeld mit der Problematik vertraut geworden ist.
Die Kernaussage des Buches lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Je mehr wir über die Krankheit Depression wissen (nur etwa die Hälfte der Depressionen werden überhaupt erkannt), desto besser werden wir mit ihr umgehen können. Das gilt sowohl für die an der Krankheit Leidenden als auch für ihre Angehörigen. Und natürlich gilt das auch für diejenigen, die Depressive behandeln.
Ganz entscheidend, so lerne ich, sei die Früherkennung. Dafür findet sich in diesem Buch eine Checkliste 'Innere Symptome der Depression'. Als Symptome finden sich da auf "der psychischen Seite Niedergeschlagenheit, Interesselosigkeit (auch auf sexuellem Gebiet), Antriebslosigkeit, Entscheidungsschwäche, Konzentrationsprobleme, Selbstanklagen, Minderwertigkeitsgefühle, Beschäftigung mit dem Tod (theoretisch oder gar praktisch), auf physischem Gebiet Schmerzen, besonders in Kopf und Bauch, deren Herkunft und Grund nicht auszumachen ist."
Kennzeichnend für den Depressiven (Frauen sind mit gemeint) ist die Überforderung: "Das Erfüllen von Erwartungen wird zum Lebensprinzip, die Überforderung wird zu einem Lebensmuster." Besonders hilfreich fand ich dies: "Was der Kranke uns sagt (wenn er überhaupt mit uns spricht), ist selten das, was er denkt. Wenn wir uns dessen bewusst sind, fällt uns der Umgang mit ihm leichter."
Was können Angehörige tun? Die Depression als Krankheit akzeptieren, sich zurück halten mit gut gemeinten Ratschlägen, geduldig bleiben und sich nicht überfordern. Denn: "Es wäre von Grund auf falsch zu glauben, dass wir Angehörigen unsere lieben Depressionskranken heilen können. Alles, was wir tun können, ist ihnen (und uns) das Leben etwas erleichtern."
Immer mal wieder wird darauf hin gewiesen, dass Therapie und Medikation wichtig seien (die Ärztin Christine Rummel-Kluge schreibt: "Ziehen Sie einen Arzt zu Rate!"), ganz so, als ob die Therapie von Seelenerkrankungen eine wissenschaftliche Disziplin sei. Skeptisch bin ich auch über die Aussage, es bestehe "die achtzigprozentige Sicherheit, dass unser Partner, Vater, Frau. Tochter, Sohn, Freund wieder ganz gesund wird, mit dem Unterschied vielleicht, dass er oder sie das Leben anders anschaut und geniesst als vor der Krankheit." Anders gesagt: Man kann nicht wirklich wissen (beziehungsweise messen), ob eine Therapie bewirkt, was sie zu bewirken vorgibt..
Ich selber halte mehr von der Selbsthilfe der Betroffenen (und das schliesst die Angehörigen mit ein), weshalb mir denn auch diese Schilderung von John Kummer ganz besonders gut gefallen hat:
"Wir fuhren also los Richtung Klinik. Unterwegs wuchs meine Angst immer mehr, bis ich sagte: 'Du, das mit der Klinik ist ein Fehler, wir fahren zurück.' Im Nachhinein bewundere ich meine Frau in der damaligen Lage. Sie hatte das Steuer fest in der Hand, Entschlossenheit im Gesicht, Augen geradeaus und sagte nur das eine Wort aus zusammengepressten Lippen: 'Mitnichten.'
Das war dann auch das Ende meiner Schwellenangst und ich liess den Rest des Tages willenlos an mir vorbeiziehen. So schlimm war es dann auch wieder nicht. Allerdings war es auch wieder meine Frau, die mir nach vielen Wochen telefonisch riet: 'Du, sag dem Arzt, dass du nach Hause willst, denn was die dort mit dir machen, das können wir beide zuhause auch.' Das geschah dann auch so."
Fritz Kamer / John P. Kummer
Depression? Wie helfen?
Das Buch für Angehörige
Kösel-Verlag, München 2012