Mittwoch, 2. November 2011

Es geht ums Tun

Buchtitel sind häufig irreführend, so auch dieser. Denn wer sich, wie der Klappentext behauptet, eine „leidenschaftliche Anstiftung, sich einzumischen, der nie der Humor oder die Bodenhaftung abhandenkommt“ erwartet, wird einigermassen verblüfft sein, dass er hier die meiste Zeit etwas ganz anderes vorgesetzt bekommt. Zuallererst eine Einführung von Christa Spannbauer, die darin ihrer Bewunderung für den tollen Konstantin Wecker und den tollen Bernard Glassman Ausdruck gibt. Auch die vielen übers ganze Buch verstreuten Fotos der beiden legt eher den Eindruck von Heldenverehrung nahe (obwohl doch Glassman diese, neben einer ganzseitigen Aufnahme von ihm!, explizit ablehnt) – und steht damit dem Stadium, „in dem wir weniger von unseren egozentrischen Gefühlen dominiert werden, sondern in dem es uns bewusst wird, dass wir mit der ganzen Welt verbunden sind“ so recht eigentlich diametral entgegen. Dann erzählt Konstantin Wecker aus seinem Leben. Er hat vielerlei Hilfreiches zu sagen, doch mit dem Motto „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen“ hat das alles wenig bis gar nichts zu tun.

Wecker zeigt sich von „den friedlichen Revolutionen“ in Berlin und Kairo „elektrisiert“ und nimmt es als Beweis, „dass Widerstand erfolgreich ist“. Damit hat er zweifellos recht, doch die Frage ist, ob das, was sich jetzt in Nordafrika anzubahnen scheint (ein Sieg der Islamisten bei den ersten Wahlen in Tunesien; die Einführung der Scharia durch den Übergangsrat in Libyen) eigentlich unterstützenswert ist. Ich finde nicht.

Konstantin Wecker ist ein belesener Mann, er zitiert Bedenkenswertes zuhauf:
„Als Künstler hat man quasi die Verpflichtung, Anarchist zu sein. Es gibt gar keine andere Möglichkeit.“ (Henry Miller).
„Im Anfängergeist gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.“ (Suzuki Roshi).
„Religiös sind Menschen, die Angst vor der Hölle haben. Spirituell sind Menschen, die durch die Hölle gegangen sind.“ (ein Obdachloser).
„Der Mystiker Meister Eckhart sprach davon, dass 'Gott nur auf einer leeren Tafel schreiben könne'“.

So recht eigentlich lohnt sich die Lektüre dieses Bandes schon allein der hilfreichen Zitate wegen. Aber auch wegen Texten wie „Empört Euch“ (auf Seiten 54-56). Und auch weil Wecker und Glassman nicht theoretisch, sondern auf sich selber bezugnehmend argumentieren.

Bernard Glassman, ein ausgebildeter Luftfahrt- und Weltraumingenieur, hatte so eine Art Erweckungserlebnis, als er einmal nach einer Meditation nach dem Sinn der Gehmeditation fragte und von dem jungen Mönch Taizan Maezumi, der später sein Lehrer wurde, die Antwort erhielt: „Wenn wir gehen, dann gehen wir einfach.“ In der Folge praktiziert er obsessiv Zazen („Ich wurde daraufhin zu einem regelrechten Fanatiker im Zendo ...“), kündigt seinen Job und widmet sich voll und ganz dem zu dieser Zeit (1972) boomenden Zen. „Wir kauften Wohnungen, um die vielen Menschen, die zu uns kamen, unterbringen zu können, und erwarben Land für ein Bergkloster südlich von Los Angeles.“ Woher das Geld kam, erfährt man nicht.

Er gründet das Zen-Zentrum Greyston in New York. Auch diesmal erfährt man nicht, mit welchem Geld dies geschah. Dann folgten die Greyston-Bäckerei, das Greyston Family Inn, eine Organisation, „um Wohnungen für obdachlose Familien zu bauen und deren Existenz zu sichern“ und die Zen-Peacemaker, ein weltweites interreligiöses Netzwerk, das zu einer Vielzahl sozialer Projekte und Aktivitäten führte („u.a. Gemeinschaftsprojekte zwischen Israelis und Palästinensern, Suppenküchen in Paris, Unterstützungsangebote für Immigranten oder Gesundheitsfürsorge für Menschen mit Aids“).

Worum geht es im Zen? „Einsicht in die Einheit allen Seins und damit von der Verbundenheit des Lebens zu erhalten.“ Für Bernard Glassman ergibt sich daraus, dass man etwas tun, dass man handeln muss. Wenn ihn jemand fragt, was man denn eigentlich tun soll, dann fragt er zurück: „Was ist das Beste, was du jetzt tun kannst?“

Fazit: ein lesenswertes und auf vielfältige Weise anregendes Buch.

PS: Einer der Glassman-Sätze hat es mir ganz besonders angetan: „Für mich ist es eigentlich bereits Zauberei, dass wir unseren Arm bewegen können.“

Konstantin Wecker / Bernard Glassman
Es geht ums Tun und nicht ums Siegen
Koesel Verlag, München 2011
www.koesel.de

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