Dass
es Durrer in aller Authentizität gelingt, dies zu verdeutlichen,
liegt daran, dass die Form des elektronischen Publizierens gottlob
etwas ausschaltet, nämlich das selbstverliebte lektorale
Hineinredigieren in Autorentexte, die, entweder dem eigenen Weltbild
diametral sind oder Dinge zur Sprache bringen, die Verlagsvorgaben
nicht verantworten zu können glauben. Solche subtile Form der Zensur
ist gang und gäbe, weshalb die ‚political correctness‘ immer
weiter ausufert und vom Massenkonsumenten nicht einmal mehr bemerkt
wird. Inwieweit dies ‚diplomierte Experten für die Seele‘ (S.23)
infiziert hat, dürfte jeder Ratsuchende dann erfahren, wenn ihm
verbale Injektionen verabreicht werden, die eine Einstellungsänderung
bewirken sollen. Überhaupt dieses diplomierte Herumexperimentieren,
welches auf der seelisch einfachen Wirkung beruht, nämlich der der
Unterordnung des Probanden:‚Paradoxerweise erwarten wir von denen
die Erlösung, die von unserem Gehorsam am meisten profitieren‘
meint Durrer auf Seite 51 und deutet damit auf die Angst vor
Sanktionen hin. Recht hat er! Im Kontext mit dem, was er aus seiner
Lebens- und Berufserfahrung im Umgang mit der fatalen Influenz von
manifesten oder volatilen Süchten herleitet, stellt sich diese
Unterordnung ebenfalls als eine Form der Sucht dar: der Sucht nach
Gefallenwollen und einer Anleitung zum Ausweg aus einem seelischen
Dilemma. Sei es das diffuse Leiden an der Welt, früher Weltschmerz
genannt, oder ein ganz konkretes, gegenwärtiges Drama - egal wie, es
nagt an den seelischen und körperlichen Kräften.
Durrer
zeichnet die Situation folgerichtig so: ‚Niemand ändert sich
freiwillig, denn das würde bedeuten, ein anderer Mensch zu werden.
Und niemand will ein anderer Mensch werden, es sei denn, er muss‘
(Seite 6). Und darin liegt das große Pré seines Buches: Es leitet
an, sich selbst zu akzeptieren, basierend auf der Erkenntnis, eine
hilfreiche Hand auch zu ergreifen und nicht aus Angst vor dem eigenen
Scheitern zurückzuweisen. In unprätentiöser Sprache aufbereitet
und dem Leser ohne erhobenen Zeigefinger nahegebracht, wird dies zur
echten Hilfestellung. Auch wenn der Autor es nicht wahrhaben sollte:
Ihm ist ein Ratgeber geglückt, der dem Menschen Beine macht, so
dieser in die richtige Richtung laufen lernen will, und der ihn dabei
nicht als unwissenden Dummkopf dastehen lässt. Auch wenn es
streckenweise mit vielen Zitaten eher essayistisch zugeht, so bleibt
sein Grundanliegen doch unangetastet. Gut so!
J. Michael Baerwald
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